Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
gut!« Elisabeth umarmte sie. »Und sag mir Bescheid, wenn der Koch zu hart mit dir umspringt. Er soll nicht wagen, die Hand gegen dich zu erheben.«
Gret zog eine grimmige Grimasse. »Ich weiß mich schon zu wehren. Glaube mir!«
Elisabeth machte sich auf die Suche nach Georg. Ja, und auch nach Thomas, wobei sie sich ein wenig scheute, ihn zu sehen. Sie kam sich ihm gegenüber wie eine Verräterin vor, obwohl ihr Vater ihr ja keine Wahl gelassen hatte. Aber entweder sah der Apotheker das nicht so, oder er wusste seine Gefühle sehr viel besser zu verbergen als sie. Er behandelte sie freundlich und aufmerksam wie immer.
»Und was wirst du nun anfangen?«, fragte Elisabeth ihren Bruder, der zusammen mit Sebastian die letzten Bündel von seinem Karren lud und in dem Raum neben seiner Kammer verstaute. »Bist du bereit für deine große Reise?«
»Ja, nein, noch nicht. Ich habe Nachricht vom Kapitän erhalten. Das Schiff wird erst im Oktober ablegen, obwohl das meiner Ansicht nach ein wenig spät ist.« Georg hob die Schultern. »Nun, er kennt das Wetter vor der Küste Griechenlands und Ägyptens besser als ich.«
Elisabeth fragte nicht, ob sich Thomas bereits entschieden hatte, Georg auf dieser Reise zu begleiten. Sie würden monatelang wegbleiben, wenn nicht sogar Jahre. Dachte Thomas wirklich daran, sie als sein Weib mitzunehmen? Der Gedanke ließ ihr Herz vor Aufregung, aber auch vor Furcht heftig schlagen. Würde sie den Mut finden, ihrem Leben eine solch scharfe Wendung zu geben und diesem unbekannten und gefährlichen Weg an Thomas’ Seite zu folgen? Oder sollte sie hier auf ihn warten, bis er wieder zurückkehrte? Vielleicht würde er dann nach Bamberg in die Stadt seiner Väter zurückkehren und die Hofapotheke eröffnen, von der er gesprochen hatte. Sie schob die Gedanken beiseite, auf die sie bislang keine Antwort wusste.
»Georg, bleibst du bis zu deiner Abreise auf dem Marienberg?« , fragte sie stattdessen.
»Ja, ich denke schon. Albrecht hat nun doch nichts dagegen. Daher überlege ich mir – angesichts der kriegerischen Pläne, die der Bischof Würzburg gegenüber hegt –, ob wir nicht unseren Speicher dort leeren und die Waren hierher in Sicherheit bringen. Thomas ist auch nicht gerade begeistert, seine wertvollen Instrumente in einer belagerten Stadt zu wissen. Außerdem wird er hier vor Langeweile vergehen, wenn er nicht in seiner Alchemistenküche etwas stampfen, mischen und köcheln kann.« Georg grinste. »Er ist so gar nicht der Mann, der sich dem Müßiggang hingeben und seichte Vergnügungen genießen kann.«
So blieben die Männer nur eine Nacht auf dem Marienberg und machten sich gleich in der Früh mit ihrem Maultierkarren und einem weiteren Wagen, den Pfleger Albrecht ihnen geliehen hatte, in die Stadt hinunter auf, ihre wertvollen Waren und Geräte einzupacken, ehe der Bischof mit seinem Heer heranzog.
»In zwei Tagen sind wir mit allem zurück«, sagte Georg seiner Schwester zum Abschied.
»So lange? Ihr fahrt nur nach Würzburg hinunter! Das ist keine Weltreise.«
Er zuckte mit den Schultern. »Wir müssen die Waren und Thomas’ wertvolle Glasinstrumente sorgsam verpacken und die Wagen beladen. Das kann schon ein wenig dauern.«
So sah Elisabeth den Reitern und Wagen hinterher, wie sie durch das Tor fuhren und sich auf den Weg in die Stadt hinunter machten. Gret stand neben ihr.
»Ich muss wieder in die Küche. Ich werde heute noch Honigkuchen mit Zimt und Mandeln backen.«
»Dass du dich lieber in der Küche verkriechst, als mit Georg mitzufahren«, wunderte sich Elisabeth. »Ich hätte es dir nicht untersagt.«
Gret zeigte ihre Zähne. »Und ich hätte es dennoch getan, selbst wenn du es mir untersagt hättest, wenn es mein Wunsch gewesen wäre, ihn zu begleiten.«
Elisabeth wusste nicht, ob die Worte sie amüsieren oder ärgern sollten. »Und warum ist es nicht dein Wunsch? Ich dachte, es wäre Liebe zwischen euch. Hast du das nicht gesagt, oder ist alles bereits wieder vorbei?« Ein schrecklicher Gedanke drängte sich ihr auf. »Hat Georg dich etwa zurückgewiesen, nachdem er deine Gunst genossen hat?«
Gret seufzte. »Nein, hat er nicht. Du musst dich also nicht zum Racheengel aufplustern und dir eine fürchterliche Strafe für den Treulosen ausdenken. Wenn wir zusammentreffen und sich die Gelegenheit ergibt, dann genießen wir die körperliche Lust und haben Freude aneinander. Das heißt aber nicht, dass ich ihm auf Schritt und Tritt folgen und mich zu
Weitere Kostenlose Bücher