Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
trug.
Ja, seine verschwenderische Hofhaltung und seine Schwäche für Mätressen musste sie ihm zur Last legen, und dennoch sah sie ihn mit gemischten Gefühlen entmachtet im Saal der Burg sitzen, die die Domherren ihm für seine letzten Jahre bis zu seinem Tod zugewiesen hatten. Bis es so weit sein würde, durfte er sich noch Bischof nennen. Das zumindest hatten sie ihm nicht genommen. Zu Elisabeths Überraschung schien ihr Vater recht guter Dinge zu sein und sich über den Verlust seiner Macht nicht zu grämen, abgesehen davon, dass er betonte, mit den wenigen Gulden, die das Kapitel ihm zubilligte, nicht weit zu kommen.
»So schlimm steht es doch gar nicht«, widersprach Elisabeth. »Ihr habt die Burg Zabelstein und Schloss Aschach mit allen Gütern und Einkünften zugesprochen bekommen und dreitausend Gulden jährliche Leibding.«
Der Bischof seufzte, sein Narr aber lachte.
»Dreitausend? Was sind dreitausend Gulden, wenn man einen fürstlichen Hof führen will?«
Elisabeth dachte an die wenigen Pfennige, die ein Handwerker am Tag verdiente, ja, und an die Münzen, die sie sich im Frauenhaus so schwer hatte verdienen müssen. Dreitausend Gulden! Es war für sie fast unvorstellbar, dass man in einem Jahr so viel Geld ausgeben konnte. Und dennoch hatte auch sie früher leichtfertig in die Schatulle des Vaters gegriffen, um sich teure Gewänder nähen zu lassen, Geschmeide anzufertigen oder die wundervollen Pferde zu kaufen, die sie so gerne ritt. War es nicht scheinheilig, wenn sie, die Tochter der Sünde, ihm Vorhaltungen machte?
Vielleicht ahnte der Bischof ihre Gedanken, denn er erhob sich schwerfällig aus seinem tiefen Polsterstuhl.
»Du darfst dich nun zurückziehen, meine Tochter, und ein Gewand anlegen, das meine Sinne erfreut. Ich werde nach dem Küchenmeister rufen lassen und ihm auftragen, eine besonders reiche Tafel zur Feier des Tages zu richten.«
Elisabeth erhob sich ebenfalls. »Das ist nicht nötig, Vater. Ich esse nicht viel. Ein leichtes Mahl wird mir genügen.«
»Das waren die falschen Worte«, tadelte der Hofnarr, dem die finstere Miene des Bischofs ebenfalls nicht entgangen sein konnte. »Wisst Ihr denn nicht mehr, dass es nur wenige Dinge gibt, die Seiner Exzellenz mehr Vergnügen bereiten als eine wohl gedeckte Tafel, die sich unter der Last der Speisen zu biegen scheint? Wobei der Wein natürlich nicht fehlen darf. Nein, wenn ich nachdenke, fällt mir nicht viel anderes ein, das ihm ein heiteres Gemüt und ein strahlendes Antlitz bereitet – und das, was mir sonst noch in den Sinn kommt, wäre in diesem Rahmen nicht anständig zu erwähnen«, fügte er mit einem unverschämten Grinsen an. »Ja, Essen und Trinken ist die Lust der späten Jahre, denn die Zeiten, da der Herr verwegen zur Jagd geritten ist und bei seinen Turnieren sich am liebsten selbst in den Sattel geschwungen hat, sind wohl vorbei.«
»Ich bin noch immer ein guter Reiter!«, widersprach der Bischof.
»Aber ja, Herr, keiner macht im Sattel eine so gute Figur wie Seine Exzellenz«, sagte Friedlein mit Spott in der Stimme, sodass der Bischof vermutlich erwog, noch einen Becher nach seinem Narren zu werfen. Er entschied sich dagegen, rief stattdessen einen Diener und verabschiedete Elisabeth mit freundlichen Worten.
»Wie schön, dass ihr wohlbehalten zurück seid!«, schallte es ihnen entgegen, als Elisabeth und Jeanne einige Tage später vom Zabelstein nach Würzburg zurückkehrten.
Eine burschikos wirkende Frau mit flammend rotem Haar, von dem einige Strähnen unter ihrer Haube hervorlugten, eilte mit ausgebreiteten Armen auf die Kutsche zu und schloss dann Jeanne in die Arme, dass deren Rippen knackten und sie vor Empörung aufschrie. Elisabeth schenkte sie nur ein Lächeln und ein Kopfnicken. Sie hier im Hof der Festung Marienberg zu umarmen wäre unschicklich gewesen.
»Ich grüße dich, Gret«, erwiderte Jeanne, als sie wieder zu Luft kam. »Du hast dich doch nicht etwa um uns gesorgt? Dass wir in die Hände von Strauchdieben gefallen sind oder in die eines der unzähligen Ritter, die der Bischof erzürnt hat und die ihm deswegen den Fehdebrief geschickt haben?« Sie zwinkerte vergnügt.
Gret winkte ab. »Aber nein, warum sollte ich mir um dich Sorgen machen? Unkraut vergeht nicht.« Jeanne stieß einen Ruf der Empörung aus und knuffte Gret am Oberarm. Doch die Küchenmagd sprach weiter, als sei nichts geschehen.
»Nein – wenn, dann galt meine Sorge unserer zarten Elisabeth.«
Diese zog eine
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