Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
ihr noch ihrem Vater zu. Rasch wandte sie sich ab und folgte Albrecht durch das äußere Tor. Als sie von den Wachen nicht mehr gesehen werden konnten, blieben sie stehen. Albrecht wandte sich ihr zu. Seine Hände verharrten einen Moment reglos in der Luft. Erst als sie seine lautlose Frage mit einem leichten Nicken beantwortete, legte er seine Arme um sie und zog Elisabeth an sich. Zart küsste er sie auf den Mund.
»Du musst dir keine Sorgen machen. Alles wird gut«, bekräftigte er, obwohl sie ihre Sorgen noch gar nicht geäußert hatte.
»Wir werden uns schon bald ein eigenes Haus suchen, in dem wir leben können. Vielleicht in Würzburg, ich weiß es noch nicht. Ach, ich stelle es mir wunderbar vor heimzukommen und von meiner Hausfrau – meiner Elisabeth – erwartet zu werden.« Er strahlte sie an.
»Wir werden Unser Frauenberg verlassen?«, hakte sie erstaunt nach. »Aber warum denn? Warum die Eile? Ich habe meine Gemächer, und auch du bist gut untergebracht. Wir können eine Hochzeit doch nicht so überstürzen. Das würde deiner Familie nicht gefallen. Und du dachtest doch nicht etwa daran, mit mir vor der Eheschließung ein gemeinsames Haus zu beziehen?«
»Nein, natürlich nicht«, rief er entrüstet. »Ich würde nichts
tun, an dem dein Ruf Schaden nehmen könnte. Ich würde natürlich bis zu unserer Hochzeit nicht bei dir wohnen können, aber wenn du dein Kammermädchen hast und ich eine ältere Cousine zu deiner Gesellschaft so lange dort einquartieren würde, dann sollte niemand Anstoß daran nehmen.«
»Ich habe hier meine Gemächer«, wiederholte Elisabeth.
Nun schien Albrecht verlegen. »Ja, ich weiß. Dein Vater hat sie dir eingerichtet, aber er ist nicht mehr Herr dieser Festung, weißt du, und wenn nun der Pfleger oder ein anderer Obmann die Burg führt, wird er hier einziehen und die Räume des Bischofs übernehmen.«
Elisabeth dämmerte, wovon er sprach. Warum war sie noch nicht selbst darauf gekommen? »Ich muss aus meinen Gemächern, die ich seit meiner Kindheit bewohnt habe, ausziehen?«
Albrecht nickte mit zerknirschter Miene. »Ja, leider ist es so. Und es wäre gut, wenn es bald geschehen würde …«
»Sagt wer?«, gab Elisabeth kriegerisch zurück. Obwohl sie einsah, dass er recht hatte, wollte sie sich nicht so plötzlich ihres Heims verweisen lassen.
»Der Pfleger, dem das Kapitel die Rechte und Pflichten des Bistums und des Landes übertragen hat«, antwortete er ein wenig steif.
»Dein Bruder Johann?«, wiederholte sie ungläubig, obwohl das auch in ihrem Sinne sein musste. Wie konnte sie mit einem Domherrn zusammen im Palas leben? Nein, er war mit seiner Forderung im Recht, und dennoch ärgerte sie die Eile, mit der er ihr ihr Heim zu entziehen suchte. Und dass er mit seinem Bruder darüber gesprochen hatte statt mit ihr selbst. Stand ihr nicht wenigstens das zu? Oder würden stets Männer über ihr Geschick entscheiden?
»Er ist auf unserer Seite«, versicherte Albrecht. »Du darfst ihm nicht zürnen. Es würde sich wirklich nicht schicken. Nein,
es ist ganz unmöglich, dass du hier im Palas des Marienberges bleibst.«
Resignierend hob sie die Schultern. »Nun gut, dann sei es so, wie es sein muss. Warum aber in Würzburg ein eigenes Haus? Wird dein Vater nicht wollen, dass du erst einmal auf die elterliche Burg heimkehrst, und dir dann eine seiner Festen überlassen?«
Albrecht wand sich. »Ja, vielleicht, das weiß ich nicht.«
»Du weißt es nicht? Ja hast du denn mit deinem Vater nicht darüber gesprochen?«
»Nein, noch nicht; ich werde es jedoch beizeiten tun.«
Elisabeth runzelte die Stirn. »Ihr habt über die Hochzeit gesprochen, aber nicht darüber, wo wir wohnen werden? Das verstehe ich nicht.« Als Albrecht schwieg und den Blick abwandte, wurde es ihr klar.
»Du hast noch gar nicht mit deinem Vater gesprochen? Warum denn nicht? Hat er unserer Verbindung nicht immer wohlwollend entgegengesehen? Er weiß, dass du dich mir versprochen hast.«
»Ja, das ist wahr. Das war bevor … nun ja … ehe all das geschehen ist.« Er machte eine ausholende Geste, die sie und die ganze Festung erfasste.
Elisabeth wich ein Stück zurück. Hatte er von ihrer Schande erfahren? Wusste er von ihrem Jahr im Frauenhaus? Und wusste auch sein Vater davon und lehnte sie deshalb als Gemahlin seines Sohnes ab? Verständlich, aber wie konnte das sein? Noch ehe sie die Frage formulieren konnte, wurde ihr klar, dass Albrecht nicht davon sprach, was ihr geschehen
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