Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
bedeuten.«
Auch Jeanne schüttelte verwundert den Kopf. »Seltsam, dass er sich die Mühe macht, bis zum Zabelstein zu reisen, wo es für ihn hier doch nichts mehr zu gewinnen gibt.«
Elisabeth nickte. »Ja, und genau das macht mich stutzig. Ein Höflichkeitsbesuch bei meinem Vater ist das ganz sicher nicht. Der von Grumbach tut rein gar nichts ohne Hintergedanken und den Versuch, einen Vorteil für sich herauszuschlagen.«
Elisabeth raffte ihre Röcke und schritt zur Tür. »Mal sehen, ob ich herausfinden kann, was er dieses Mal im Schilde führt.«
»Ah, Jungfrau Elisabeth, welch unerhörtes Vergnügen, Euch wieder zu begegnen.« Der Propst verbeugte sich übertrieben vor ihr und betonte das Wort »Jungfrau« wieder auf diese Weise, dass es ihr die Röte in die Wangen steigen lassen sollte, doch Elisabeth ließ sich von ihm nicht mehr in die Enge treiben. Sie erwiderte kühl seinen Blick und neigte nur leicht das Haupt.
»Dompropst von Grumbach, diese Worte kann ich leider nicht zurückgeben. Als Vergnügen würde ich es wirklich nicht bezeichnen, Euch zu begegnen. Eine Prüfung Gottes, die wir geduldig und mit Demut über uns ergehen lassen müssen, trifft die Situation schon eher.«
Für einen Augenblick sah der Dompropst sie verdutzt an, dann legte er den Kopf ein wenig in den Nacken und lachte. Es war ein offenes, herzliches Lachen und hätte ihn zusammen
mit seiner hochgewachsenen, schönen Gestalt sympathisch erscheinen lassen, hätte Elisabeth ihn nicht so gut gekannt. Dennoch fiel es ihr schwer, sich seiner Anziehungskraft völlig zu entziehen. Und was noch schlimmer war, er schien sich dessen bewusst zu sein und in ihrem Gemüt wie in einem offenen Buch zu lesen.
Der Dompropst hörte auf zu lachen und beugte sich ein wenig zu ihr vor. Er senkte die Stimme, dass der Narr Friedlein, der schon wieder neugierig im Hof herumschlich, seine Worte nicht hören konnte.
»Fast fordert Ihr mein Mitgefühl heraus. Vor Wochen noch so siegessicher und stolz – und nun? Kamen die unaussprechbaren Sünden ans Tageslicht, dass der Ritter Eures Herzens sich lieber in die schützenden Arme der Kirche flüchtet? Oder war die Versuchung der Macht einfach zu groß? Was sind schon die Arme eines Weibes, wenn man stattdessen ein ganzes Land haben kann? Und genau genommen das Weib noch dazu? Gott der Herr hat es mit der Einrichtung der Ehe zwar sicher gut mit der Menschheit gemeint, doch wer wird das so streng sehen? Kann man überhaupt gegen eine Sünderin sündigen? Eine interessante Frage, nicht wahr?«
Und wieder gelang es ihm fast, sie in die Enge zu treiben. Doch Elisabeth reckte sich stolz und entgegnete: »Bedarf es nicht des freien Willens, um zu sündigen? Ich würde würgende Hände um meinen Hals und eine Keule über den Schädel nicht als freiwillige Entscheidung werten.«
Wieder lachte der Propst. »Ein gutes Argument, doch ob es ein Jahr in schlimmster Sünde ungeschehen machen kann? – Ihr habt es ihm doch nicht etwa freiwillig gebeichtet und auf sein Verzeihen gehofft? Oh nein, ich sehe es in Eurer Miene. Ihr habt nichts in der harten Welt dort draußen gelernt. Ihr seid noch immer das einfältige Kind. Wie erstaunlich.«
»Ich habe sehr wohl etwas gelernt«, gab sie scharf zurück. »Dass Ihr der Teufel in Menschengestalt seid, dessen Seele
schwärzer und verdorbener ist als alles, was ich mir je vorstellen konnte. Ihr seid selbstsüchtig und skrupellos. Das Einzige, was Euch interessiert, ist, mehr Macht zu erlangen, egal auf welche Weise.«
Der Dompropst nickte nachdenklich. »Ja, das könnte man so sagen. Doch Ihr habt eine Eigenschaft vergessen: Ich bin gefährlich!«
»Wehe dem, der sich in Euren Weg stellt.« Elisabeth konnte nicht verhindern, dass es sie schauderte. »Und wer ist es dieses Mal, der es wagt, Euch im Weg zu sein?«, fügte sie kaum hörbar hinzu.
Der von Grumbach lächelte grimmig. »Ist das nicht offensichtlich? Ja, meine Liebe, auch wenn Ihr stets an jedem guten Gedanken in mir zweifelt: Ich hätte es durchaus gern gesehen, wenn Ihr zu Eurem Eheglück gefunden hättet.«
Elisabeth wollte eine ätzende Erwiderung von sich geben, als ihr aufging, dass er dies durchaus ernst meinen musste – wobei es ihm natürlich nicht um ihr Eheglück oder das des Ritters von Wertheim ging. Albrecht dagegen als neuen Pfleger und Nachfolger des Bischofs zu sehen, musste ihm sauer aufstoßen. Ja, Elisabeth war klar, wer dem von Grumbach nun im Wege stand und auf wen sich seine
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