Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
führen. Er näherte sich, vollführte eine Referenz und bat die Herren, ihm zu folgen. Kurz entschlossen ging Elisabeth ihnen nach. Die Männer warfen ihr zwar Blicke zu, sagten aber nichts. Es war ihr Vater, der ihr deutlich zu verstehen gab, dass er mit dem Dompropst von Grumbach und dem Pfleger von Wertheim etwas zu besprechen habe, das die große Politik des Landes beträfe und daher nichts für die Ohren eines Weibes sei.
»Es interessiert mich durchaus«, wagte Elisabeth zu widersprechen. Die Miene des Bischofs verfinsterte sich kurz, doch dann lächelte er und tätschelte ihr die Wange.
»Ach, mein Kind, du würdest es nicht verstehen und dich nur langweilen. Geh hinaus und widme dich deiner Handarbeit oder was du sonst so tust. Ich lasse dich rufen, wenn das Mahl aufgetragen wird. Dann magst du uns gerne Gesellschaft leisten.«
Vielleicht bemerkte er den Widerstand in ihrem Blick, denn er nahm sie beim Arm und schob sie energisch zur Tür. Was blieb ihr anderes übrig, als unter den Blicken der Herren nachzugeben? Leise vor sich hinschimpfend kehrte Elisabeth in ihr Gemach zurück.
Kapitel 10
S tunden vergingen, ohne dass eine Nachricht aus dem Saal drang, dessen Tür fest verschlossen blieb. Elisabeth ging unruhig in ihrer Kammer auf und ab und schickte Jeanne drei Mal, um zu erkunden, ob sich nicht endlich etwas tat.
»Sie müssen doch wenigstens etwas essen«, rief Elisabeth erbost aus. Die Weinkrüge waren zuvor bis zum Rand gefüllt worden und hielten offensichtlich noch vor.
Endlich gab sie das unruhige Herumlaufen auf und setzte sich aufs Bett. Sich zur Ruhe zu begeben kam nicht infrage. Dazu war sie viel zu aufgewühlt. Sie ahnte, dass sich hinter der Tür wichtige Dinge abspielten, die nicht nur die Beteiligten im Saal betrafen, sondern auch ihr zukünftiges Leben nachhaltig beeinflussen würden.
»Wissen die Herren nicht, wie spät es bereits ist?«, rief sie erbost. »Wollen sie das Nachtmahl heute ausfallen lassen?«
»Ich kann dir gerne in der Küche etwas zu essen richten lassen und in dein Gemach hochbringen«, erbot Jeanne.
»Ich habe keinen Hunger!«, lehnte Elisabeth barsch ab.
»Aber du sagtest doch gerade…« Sie verstummte und wandte sich zu Gret um.
Gret verdrehte die Augen. »Manches Mal bist du ein einfältiges Schaf, Jeanne. Es geht ihr nicht ums Essen! Sie will endlich erfahren, was los ist. Und ich wüsste, ehrlich gesagt, auch gern, ob wir die Truhen wieder packen müssen.«
»Warum sollten wir?« Jeanne sah sie erstaunt an. »Ich dachte, wir bleiben von nun an bei Elisabeths Vater, solange
es Gott dem Herrn gefällt, ihn auf dieser Erde zu lassen.«
Gret warf die Lippen auf. »Ja, schon möglich.« Sie fixierte Elisabeth, die den Blick erwiderte. Ehe sie jedoch etwas sagen konnte, hörten sie die Schritte eines Dieners, der die so heiß ersehnte Nachricht brachte, das Mahl werde serviert und der Bischof fordere seine Tochter auf, in den Saal zu kommen. Elisabeth riss Jeanne ihr Tuch aus den Händen, warf es über die Schulter und stürmte recht undamenhaft davon. Sie nahm zwischen ihrem Vater und Dompropst von Grumbach Platz. Ihr gegenüber saßen Albrecht und sein junger Sekretär – oder als was der Vikar ihm diente. Gunter war natürlich nicht an die Tafel geladen. Er würde mit den Wachleuten der Burg in deren Hofstube speisen.
Immer wieder sah Albrecht zu Elisabeth herüber, aber sie mied seinen Blick. Außer den Männern, die bei der geheimen Besprechung dabei gewesen waren, saßen nun noch Kaplan Berthold, Vikar Weigand, des Bischofs Fiscal Eckhart und einige seiner Ritter mit am Tisch. Neben ihrem Vater flegelte sich Friedlein in seinem Stuhl und ließ den Blick aufmerksam über die Anwesenden wandern, ein breites Grinsen auf den Lippen. Doch zu Elisabeths Ärger ließ nicht einmal der Narr sich dazu hinreißen, irgendetwas von dem zu verlautbaren, was zwischen den Männern über Stunden besprochen worden war. Die Unterhaltung kreiste um Belangloses. Elisabeth hätte schreien mögen vor Wut. Ihr war klar, dass auch eine direkte Frage sie in diesem Fall nicht weiterbringen würde. Nicht in dieser Runde. Vielleicht, wenn sie den Vater später alleine abpasste und sich nicht zu ungeschickt anstellte?
Sie musste einsehen, dass sie im Augenblick nichts erfahren würde – zumindest würde niemand ihr absichtlich eine Information zukommen lassen. Daher verlegte sie sich darauf, die Mienen der Beteiligten zu studieren. Vielleicht verrieten sie
genug, um ihr
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