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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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dem Marienberg bleiben. Das war eine großzügige Regelung. Und sie konnte ihre beiden Lieblinge ja zurückbringen lassen, sollte Albrecht sie für das Land einfordern, sagte sie sich, obgleich sie wusste, dass er dies nicht tun würde.
     
    Es war bereits Mittag, als sich der Zug in Bewegung setzte und den Berghang hinunterzockelte, auf dem sich die Festung Unser Frauenberg erhob. Elisabeth saß auf ihrer Fuchsstute, Meister Thomas auf einem kräftigen Braunen an ihrer Seite. Dahinter kam die nun doch recht ansehnlich mit Elisabeths Habseligkeiten beladene Kutsche, in der Gret und Jeanne saßen. Den Schimmel hatte Elisabeth hinten angebunden. Mit einem Stück Abstand folgte der Karren, der Meister Thomas’ Apothekerwaren geladen hatte. Während ein altgedienter Fuhrmann des Bischofs auf dem ersten Kutschbock saß, trieb Meister Thomas’ langjähriger Reisebegleiter und Leibdiener Gottbert die vier Maultiere des zweiten an. Die Nachhut bildeten vier Bewaffnete auf ihren Rössern, die sie zum Zabelstein begleiten und dann nach Würzburg zurückkehren würden.
    Die erste Zeit war Elisabeth schweigsam und hing ihren Gedanken nach. Meister Thomas sah sie zwar einige Male prüfend von der Seite an, sagte aber nichts, während Würzburg am Ufer des Mains hinter ihnen zurückblieb und ihren Blicken entschwand. Erst als sie die weite Ebene erreichten, brach sie die Stille. Elisabeth ließ den Blick von ihrem zerfurchten Weg in die Ferne schweifen. Das Land, das sich vor ihnen ausbreitete, war von kleinen Weilern durchsetzt, umgeben von Feldern im dürren Gelb der abgeschnittenen Getreidehalme, wechselnd mit den braunen Furchen, die die Pflugscharen aufgeworfen hatten, oder dem welken Grün herbstlicher Brache. Weiter im Osten erhoben sich die düster bewaldeten Berge, die sich den Steigerwald entlangzogen, der auf einem Ausläufer seiner Höhenrücken die Mauern von Burg Zabelstein trug.
    Elisabeth versuchte die düsteren Gedanken abzuschütteln und mit ihnen das Gefühl von Trauer und Verlust, das sie umklammerte. Mit einem noch etwas gezwungenen Lächeln wandte sie sich an ihren Begleiter.
    »Meister Thomas, warum habt Ihr Maultiere vor Euren Karren gespannt? Würden wir mit einem Paar kräftiger Pferde nicht schneller vorankommen?«
    »Hier in der Ebene vermutlich schon. Da habt Ihr recht, Fräulein Elisabeth. Doch auf unserem Weg über die Pässe der Alpen waren sie mir von unschätzbarem Wert. Diese Maultiere sind unheimlich stark und zäh; lasst Euch von ihrer Größe nicht täuschen. Sie kommen mit weniger Futter aus und verlieren auch in kargem Gelände, das ihnen kaum ein wenig trockenes Gras und Gestrüpp bietet, nicht so schnell an Kraft. Und was mir auf diesen Reisen stets das Wichtigste war: Sie sind sehr geschickt und unheimlich trittsicher! Wie viele Pferde habe ich in schwierigem Gelände ausrutschen und stürzen sehen. Bergab hat mancher Wagen sie einfach den Berg hinunter ins Verderben geschoben, wenn sich die Treiber nicht recht aufs Bremsen verstanden. Voller Zuversicht habe ich diesen Maultieren stets meine wertvollsten Güter anvertraut, ohne zu fürchten, es könnte etwas verloren oder zu Bruch gehen. Wenn wir mit den Karren nicht mehr weiterkamen, haben wir alles den Maultieren auf den Rücken geladen, und ich sage Euch, sie klettern die steilsten Saumpfade hinauf und hinunter und ohne zu zögern über Felsen, dass es jedem normalen Menschen schwindlig wird. Diese Tiere sind zu Unrecht als störrisch und undankbar verschrien. Ich schätze sie ebenso hoch wie mein treues Ross hier, das ich schon manches Mal vor einer zu unwegsamen Passage zurücklassen musste.«
    »Und wie habt Ihr dann Euer Pferd wiederbekommen?«, wollte Elisabeth wissen, die über seine Worte ihre Sorgen ganz vergessen hatte. Meister Thomas lächelte ihr zu.
    »Das war manches Mal nicht leicht und bedurfte einige Male ganz unerhörter Zufälle. Eine lange Geschichte des Glücks und der Treue also.«
    »Wenn Ihr möchtet, dann erzählt sie mir.« Elisabeth deutete
über die Ebene zu den fernen Waldhöhen. »Wir haben genügend Zeit für lange Geschichten.«
    Meister Thomas nickte. »Wenn Ihr es wünscht. Also, wo fange ich an? Ach ja, ich weiß. Es ist fast drei Jahre her, als ich das erste Mal dies treue Tier zurücklassen musste. Es war in einer dieser unglaublichen Schluchten des Balkans. Ein karges, raues Land, in dem viele kriegerische Völker hausen.«
    So begann Meister Thomas’ Bericht, der nicht nur von einem treuen Ross

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