Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
hinterhältigen Pläne richten mussten. Elisabeth konnte nicht verhindern, dass alle Farbe aus ihrem Antlitz wich, und obwohl sie sich um eine feste Stimme bemühte, hörte sie selbst das Zittern in ihr: »Und nun? Wollt Ihr nun auch Albrecht ermorden lassen, wie seinen Bruder?«
Der Dompropst schüttelte in gespieltem Bedauern den Kopf. »Ich habe ja eigentlich nichts dagegen, den Bösewicht für Euch zu geben, andererseits widerstrebt es mir, mich mit fremden Federn zu schmücken. Nein, ich muss noch einmal betonen, mit dem plötzlichen Dahinscheiden des Pflegers Johann habe ich nichts zu tun. Da müsst Ihr Euch schon an unseren Gastgeber hier wenden.«
Elisabeth erwog zu protestieren, als das Geräusch von Hufschlag auf der Zugbrücke ihre Aufmerksamkeit in Richtung Tor lenkte.
»Ah, der nächste Teilnehmer der heutigen Posse – oder des Dramas, das wird sich zeigen. So ganz steht der Verlauf der Handlung noch nicht fest.«
Elisabeth starrte die Reiter an, die unter dem Tor erschienen und ihre Rösser zügelten. Den ersten kannte Elisabeth nur vom Sehen. Er war einer der jüngeren Vikare, den sie in letzter Zeit häufig auf dem Marienberg angetroffen hatte. Der zweite war Gunter, der ihren Vater und den Wertheimer schon vor Jahren bis nach Prag begleitet hatte. Ein Diener kam angelaufen, um dem dritten Reiter das Pferd zu halten. Er verbeugte sich tief vor dem Pfleger des Landes, ehe er nach den Zügeln griff. Albrecht von Wertheim schwang sich aus dem Sattel, dankte dem Diener und begrüßte dann den Dompropst, wie es sich gehörte. Elisabeth konnte ihn nur wortlos anstarren. Albrecht hier so unangekündigt zu begegnen, damit hatte sie nicht gerechnet, was auch dem von Grumbach nicht entging. Er feixte.
»Ein Tag voller Überraschungen, nicht wahr, Jungfrau Elisabeth?«
Ihr fiel keine angemessene Erwiderung ein. Sie sah nur Albrecht an und versuchte nicht zu bemerken, wie stattlich er aussah und wie begehrenswert. Wenn es nur nicht das Gewand des Kirchenmannes gewesen wäre. Was hätte sie für Stiefel, Beinlinge und den kurzen Rock eines Ritters gegeben!
Nein, das war vorbei. Elisabeth senkte den Blick und knickste.
»Pfleger von Wertheim, was für eine Überraschung«, murmelte sie.
Doch Albrecht war nicht bereit, die distanzierte Höflichkeit aufzunehmen. Obgleich der spöttische Blick des Propstes
auf ihnen ruhte, trat er mit zwei schnellen Schritten auf Elisabeth zu und umfasste hart ihre Oberarme.
»Hier versteckst du dich also. Ich hätte es mir denken sollen. Warum bist du, ohne ein Wort zu sagen, einfach weggelaufen?«
Elisabeth bedachte ihn, wie sie hoffte, mit einem kühlen Blick. »Ich bin abgereist«, korrigierte sie. »Und ich verstecke mich nicht, sondern leiste meinem Vater in seiner Verbannung Gesellschaft. Außerdem bin ich dir keine Rechenschaft darüber schuldig, was ich tue und wo ich mich aufhalte.«
Albrecht wollte etwas erwidern, doch der Dompropst fiel ihm mit vor Langeweile schleppender Stimme ins Wort. »Ich würde vorschlagen, Ihr vertagt Eure kleinen Dramen auf einen anderen Zeitpunkt, und wir wenden uns jetzt wichtigeren Dingen zu. Deswegen seid Ihr doch von Würzburg hergeritten.«
»Nicht mit Euch wollte ich sprechen«, entgegnete Albrecht abweisend. »Ich wusste nicht einmal, dass Ihr ebenfalls auf dem Zabelstein anzutreffen seid.«
»Ach, hättet Ihr gern einen Platz in meiner Kutsche eingenommen? Verzeiht. Das nächste Mal werde ich Euch Bescheid geben.«
Albrecht winkte ab, ohne auf das Geplänkel einzugehen. »Ich bin hier, weil Bischof von Brunn mich um ein Gespräch gebeten hat«, sagte er stattdessen.
»Eine schöne Formulierung«, spottete der Propst. »Ja, Jungfrau Elisabeth, er hat den Herrn Pfleger herbefohlen, und ich schließe mich diesem Gespräch an. Nicht nur, um meine Neugier zu befriedigen.«
»Nein, es könnte ja sein, dass Ihr einen Vorteil für Euch selbst dabei herausschlagt«, ätzte Elisabeth.
Der Propst deutete eine Verbeugung an. »Ihr seid wieder einmal die Weisheit in Person, Jungfrau. Doch nun müssen wir Euch verlassen und uns den wichtigen Geschäften des
Landes zuwenden. Seht, Friedlein schleicht mit zunehmend schlechter Laune um uns herum, da wir seinen Herrn warten lassen oder weil er nichts davon mitbekommt, was wir sprechen oder beides, so genau weiß ich es nicht zu sagen.«
Der Narr des Bischofs schien zu merken, dass von ihm die Rede war, oder er beschloss einfach, dass es nun Zeit wurde, die Ankömmlinge in den Saal zu
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