Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
schmücken?«
»Sie sollen gegen Gicht helfen. Deshalb habe ich für Euren Vater die schönsten Stücke mitgebracht.«
Elisabeth drehte den Stein in ihren Händen. »Und wie wird er verabreicht? Er scheint mir recht hart. Das wird eine mühselige Arbeit, ihn zu verreiben. Ich finde es fast zu schade, ihn zu zerstören.«
Meister Thomas lächelte. »Das wäre auch wirklich nicht einfach. Der Jaspis gehört zu den härtesten Steinen, den kein üblicher Mörser klein kriegen würde. Nein, schon Hildegard
von Bingen empfiehlt, den Jaspis auf die schmerzende Stelle zu drücken, bis er warm wird und die Gicht zu weichen beginnt.«
»Und das hilft?«
Meister Thomas hob die Schultern. »Viele Leidende sagen dies. Sie glauben fest an die heilende Kraft der Steine. Und nicht nur an die des Jaspis. Bischof Marbodus von Rennes hat in seinem Liber lapidum seu de gemmis eine große Anzahl edler Steine und deren Heilwirkung beschrieben. Mag er recht haben oder nicht. Ich vertraue mehr unseren bewährten Heilkräutern wie Eisenkraut und Bockshornklee, Thymian und Koriander, Bilsenkraut und Silberweidenrinde. Wobei ich im fernen Arabien Heilmittel kennengelernt habe, deren Wirkung mich ebenfalls überzeugt hat. Seht dort drüben in den Dosen Aloe und Muskat, dann Kampfer und Ambra, außerdem Tamarinde und Sandelholz.«
Elisabeth drängte ihn, ihr die verschiedenen Wirkungsweisen der genannten Stoffe zu nennen und ihr zu erklären, in welcher Form sie bei welcher Krankheit verabreicht wurden.
Meister Thomas lachte. »Wollt Ihr das wirklich alles hören? Der Tag wird zu Ende sein, ehe ich mit meinem Vortrag fertig bin.«
Elisabeth strahlte ihn an. »Dann machen wir morgen eben weiter.«
Und so begann Meister Thomas zu erzählen, während sie weiter gemeinsam Kräuter zu Pulver zerstampften und Salben anrührten.
Leider wurden sie viel zu häufig von Friedlein oder ihrem Vater unterbrochen, der Elisabeth stets hinausschickte. Er hatte zahlreiche Aufträge für seinen neuen Apotheker und Alchemisten, und er war der irrigen, aber auch unumstößlichen Meinung, die Anwesenheit eines Weibes könne eine empfindliche Rezeptur verderben.
Elisabeth zürnte ihrem Vater deswegen. Sie teilte ihm dies
auch mit, doch das rührte den abgesetzten Fürstbischof nicht. Überhaupt hatte er wenig Begeisterung darüber gezeigt, dass seine Tochter zu ihm auf den Zabelstein kam und ankündigte, dort auch bleiben zu wollen, obwohl er ja zu Anfang behauptet hatte, dass dies durchaus seinem Wunsch entspreche. Nun fürchtete er wohl, dass sie seine eh schon knappen Guldenstapel weiter schmälern würde. Denn was für einen Grund könnte es sonst für ihn geben, seine Tochter nicht bei sich haben zu wollen?
»Weiber sind ein teures Vergnügen«, sagte der Bischof eines Abends zu seinem Narren Friedlein, was dieser zu Elisabeths Ärger voller Überzeugung bestätigte, bevor er dann auch noch das ›Vergnügen‹ infrage stellte.
»Sollte es nicht eher heißen: eine teure Mühsal? Ich will nun nicht gerade sagen: ein teures Ärgernis«, fügte er hinzu, den Blick feixend auf Elisabeth gerichtet. Diese hielt es für unter ihrer Würde, darauf einzugehen, und rauschte wortlos hinaus. Friedleins fröhliches Lachen schallte hinter ihr her.
Doch das war in diesen stillen Tagen in der Festung auf dem Berggrat des Steigerwaldes ein unbedeutender Missklang im Vergleich zu dem, was in der Woche darauf auf sie zukommen sollte. Es kündigte sich ganz harmlos mit einer Kutsche und ein paar Reitern in der Ebene an. Elisabeth schenkte ihnen keine Beachtung, da sie auf diese Entfernung das Wappen nicht erkennen konnte und nicht einmal ahnte, dass der Zabelstein ihr Ziel sein würde. Dann jedoch, einige Stunden später, hörte sie den Ruf des Wächters, das Knarren der Fallbrücke und das Quietschen der Ketten, die das Fallgitter emporzogen. Als Hufschlag und Räder auf den Bohlen der Brücke erklangen, trat Elisabeth ans Fenster und sah neugierig in den Hof hinab.
»Was um alles in der Welt will der denn hier?«, fragte sie mit so viel Abscheu in der Stimme, dass Jeanne von ihrer Arbeit aufsah. Sie ließ das Kleid, dessen Saum sie gerade gebürstet
hatte, auf das Bett fallen und eilte zu Elisabeth, deren Gesichtsausdruck nichts Gutes verhieß.
»Wer ist es denn?«
Elisabeth deutete auf den Mann im Hof, der gerade aus seiner Kutsche stieg und den Blick schweifen ließ.
»Dompropst von Grumbach gibt sich die Ehre, und ich sage dir, das kann nur Ärger
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