Das Arrangement
ihren Schwindel so leicht auffliegen lassen können, als sie die Konfrontation mit Julia hatte. Sie hätte sich einfach aus dem Staub machen können. Zumindest aber hätte sie auf ihre angeschlagene Gesundheit verweisen und darum bitten können, diesen Empfang abzublasen. Doch nicht einmal das hatte sie getan. Und dafür war er ihr einiges schuldig.
Überall nackte Brüste. Marnie fühlte sich schon fast bedroht von so viel Nacktheit. Inzwischen war sie nämlich ziemlich angeheitert, sodass ihr Reaktionsvermögen darunter litt und sie befürchtete, eine falsche Bewegung zu machen.
“Noch etwas Champagner?”, fragte die Stylistin und füllte Marnies Glas. “Sie sind leicht im Hintertreffen.”
Marnie nickte heftig. Sie saß neben Julias Couch auf dem Teppichboden mit ausgestreckten Beinen in einem Abendkleid original von Dolce und Gabana aus roter Seide mit Rüschen und fühlte sich ziemlich erschöpft, nachdem sie die vergangenen anderthalb Stunden eine Robe nach der anderen anprobiert hatte. So ein Kleiderkauf zu Hause war eine neue Erfahrung für sie und ein wenig verwirrend, aber dieser lachhaft teure Champagner brachte Spaß.
Marnie stellte ihr fast überlaufendes Glas auf einem silbernen Tablett ab, das auf der Couch neben ihr stand. Sie fühlte sich bereits leicht beschwipst und sehr aufgelockert. Wie auch immer, Belinda, Julias persönliche Stylistin, hatte recht: Marnie war weit hinter alle anderen zurückgefallen.
Julia hatte fast eine ganze Flasche Schampus allein ausgetrunken und führte die Designerkleider wie eine Laufstegkönigin vor. Rebecca hatte ebenfalls einige Gläser intus, doch sie verdünnte sie mit Pfirsichsaft und noch etwas anderem, von dem Marnie sich nicht erinnerte, wie es hieß. Selbst Belinda trank während ihrer Arbeit, doch sie verbrannte den Alkohol ziemlich schnell, weil sie ständig in Aktion war, um allen bei der Anprobe zu helfen. Sie selbst hatte auch einiges angezogen.
Marni war das Leichtgewicht in dieser Gruppe. Was Haute Couture, Alkoholkonsum und nackte Brüste anging, zählte sie zu den blutigen Anfängerinnen. Dies war also etwas Nachhilfe. Niemand von ihnen trug besonders viel. Sie hatten sich in den ersten zwanzig Minuten bereits alle bis auf den Slip ausgezogen. BHs waren mit Haken versehen. Das dauerte zu lange.
“Ist das nicht sagenhaft?”, sagte Rebecca und streckte die Arme aus, um sich in einem trägerlosen, schwarzen Satinkleid von Balenciaga zu präsentieren, das über und über mit Volants besetzt war.
Julia quetschte sich in ein enges Futteralkleid, das aussah, wie aus Gold gesponnen. Mit dem gewagten Schlitz vorn und den feinen mit Diamanten besetzten Trägern sah es so aufregend und sexy aus, dass es alles in den Schatten stellte, was Marnie bisher zu Gesicht bekommen hatte. Atemberaubend. Sie konnte sich nicht vorstellen, jemals ein solches Kleid zu tragen.
“Welche Größe hat denn das Ding?”, wollte Julia wissen, während sie mit dem Reißverschluss kämpfte. “Habe ich etwa zugenommen?”
Rebecca lachte. “Wird Zeit, ein paar Kohlehydrate zu streichen!”
Julia blickte sie finster an. “Du bist doppelt so breit wie ich”, schoss sie zurück. “Wird Zeit, wieder mal die Zahnbürste in den Hals zu stecken.”
Rebecca sah sie schockiert an, wurde erst blass, dann knallrot. Ob sie nun unter Bulimie litt oder nicht, die Bemerkung hatte sie definitiv getroffen. Marnie sah es in ihren Augen und sie verstand, was in ihr vorging. Rebecca hätte gern etwas erwidert, traute sich aber nicht. Ihre Chefin war eine zu starke Gegnerin.
Inzwischen pellte sich Julia wieder aus dem Kleid und warf es Belinda zu. “Lass es Alison anprobieren”, zischte sie. “Sie ist ja nur Haut und Knochen nach ihren ganzen Operationen, und ich kann diese rote Monstrosität nicht mehr sehen, die sie da anhat.”
Marnie wurde ganz still, sie fragte sich, ob Julia es wohl noch bis zum Äußersten treiben würde. “Mir gefällt es”, sagte sie, bevor ihr zu spät wieder einfiel, dass Julia die Farbe Rot nicht ausstehen konnte.
“Alison, beweg deinen knochigen Hintern und probier das verdammte Kleid an!”
Wenn irgendjemand sich mit plötzlichen Hasstiraden auskannte, dann war es Marnie. Trotzdem konnte sie Julias Ausbruch kaum fassen. Das musste am Alkohol liegen.
Die arme verstörte Belinda hielt das Kleid hoch. “Es sieht aus, als müsste es passen”, sagte sie leise, um Marnie zu ermutigen.
Julia hatte sich in einen Morgenmantel gewickelt und stöberte
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