Das Arrangement
Beim Vergleich ihrer beider Gesichter im Spiegel drehte sich ihr fast der Magen um. Dabei wusste sie gar nicht, was sie so beunruhigte und warum. Vielleicht wollte sie es auch gar nicht wissen.
“Und dann gibt es noch einen Grund, warum ich weiß, dass du meine Tochter bist.
“Das Klavier?”, fragte Marnie.
“Nein, die Art, wie du auf Bret losgegangen bist.” Sie drückte Marnies Hand leicht. “Das war meine Tochter, typisch Alison. Du hast dir nie etwas von deinem kleinen Bruder gefallen lassen. Ich weiß noch, wie ich mal überlegt habe, ob ich euch beide zum Boxunterricht schicke, damit ihr eure Zankereien im Ring austragen könnt. Aber ich habe mir damals zu viele Sorgen um Bret gemacht.”
Julias Lachen wirkte ansteckend. Marnie fiel mit ein. Sie tat, als fühle sie sich vollkommen unbeschwert, doch sie war sich sehr wohl bewusst, was gerade passierte. Sie hatte Julias uneingeschränkte Unterstützung gewonnen und damit ihr Schicksal besiegelt. Sie und Andrew würden nicht nach Long Island zurückgehen, zumindest nicht sofort.
“Wir müssen uns unterhalten”, sagte Julia. Sie führte Marnie zu einem gestreiften Seidensofa, wo sich beide setzten. Julia wirkte regelrecht aufgekratzt, als sie Marnie näher an sich zog.
“Jetzt, wo die Katze schon aus dem Sack ist und du von dem Empfang weißt”, sagte sie, “kann ich dir genauso gut auch die näheren Umstände erläutern. Ich habe seit der Renovierung des Hauses keine große Party mehr gegeben, deshalb muss es ganz außergewöhnlich werden. Das erwartet man von mir.”
Marnie hatte Mühe, sich ihren Schock nicht anmerken zu lassen. Wahrscheinlich sah sie jetzt genauso gedankenverloren aus wie Julia kurz zuvor. Allein die Vorstellung einer Party machte ihr Angst, aber irgendwie brachte sie ein Lächeln zustande und nickte.
Julia drückte ihr zuversichtlich die Hand. “Es wird ganz wundervoll werden”, versprach sie, und ihr Lachen klang ein bisschen zu fröhlich und sprudelnd. “Alle wissen, dass du weggelaufen bist, um Andrew zu heiraten, und dass wir uns lange nicht gesehen haben. Dein Unfall stand damals in den Schlagzeilen. Es wird keine einzige Absage geben. Alle werden kommen, sicher in der Hoffnung, dass es knallt.”
Wundervoll?
Marnie kicherte. Sie konnte nicht anders, doch Julia würde gar nicht bemerken, dass es sich um einen leichten Anflug von Hysterie handelte.
“Ratet mal, wer einen heißen neuen Job hat?” Bret sah von seinem Gazpacho auf und grinste wie ein Honigkuchenpferd in die Runde. Bis auf seine Mutter, die er geflissentlich ignorierte, blickte er jeden Einzelnen, der sich an dem formalen Dinnertisch eingefunden hatte, erwartungsvoll an. Es lag wieder mal Ärger in der Luft, was durchaus keine Überraschung war. Andrew hatte bereits damals, als er mit Alison zusammen war, einige Zeit mit diesen Leuten verbracht. Gelinde gesagt, verstanden sie sich nicht besonders gut. Am liebsten würden sie sich wahrscheinlich gegenseitig ausnehmen und die lebenswichtigen Organe an den Höchstbietenden versteigern lassen.
Julia drehte sich zu Bret um, der am anderen Ende des Tisches saß. “Wer hat einen heißen neuen Job?”, fragte sie herablassend. “Doch sicher niemand von den Anwesenden hier.”
Andrew griff unter dem Tisch nach Marnies Hand. Ihre Beziehung war noch immer etwas angespannt, aber auf dem Weg ins Speisezimmer eben hatte sie ihm von der brenzligen Situation in Julias Zimmer berichtet. Er war überrascht gewesen – und stolz darauf, wie sie alles allein geregelt hatte, doch es war nicht mehr genug Zeit geblieben, um ihr das zu sagen.
Wichtiger war, ihr erst mal die Sorgen um ihre Großmutter zu nehmen. Josephine Hazelton hatte einen Wettbewerb gewonnen und befand sich nun auf einer Kreuzfahrt. Andrew war zu ihrem Haus gefahren und hatte es verschlossen vorgefunden. Danach hatte er auf dem Flohmarkt mit einer älteren Frau gesprochen, die Gramma Jo kannte und ihm versicherte, sie hätte ihr von dieser Kreuzfahrt erzählt. Andrew fand es merkwürdig, dass die Frau nicht mehr darüber wusste. Sie konnte nicht sagen, wohin genau diese Reise ging und wann Gramma Jo zurückerwartet wurde. Doch sie behauptete steif und fest, dass es so sei.
Marnie war so erleichtert, das zu hören, dass Andrew schon dachte, sie würde anfangen zu weinen. Offensichtlich hatte sich ihre Großmutter schon immer so eine Kreuzfahrt gewünscht. Sie hatte oft davon gesprochen, und Marnie freute sich, dass sich ihr Traum nun erfüllt hatte.
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