Das Arrangement
anderem als dem Haus im Sinn hatte. Er hoffte nicht, dass Julia etwas im Schilde führte, zum Beispiel eine Hochstaplerin in ihrem Haushalt öffentlich zu überführen. Andrew war sich klar, dass er diesbezüglich langsam unter Verfolgungswahn litt, aber er fragte sich immer wieder, ob Julia Marnie deshalb so gnädig als ihre Tochter anerkannt hatte – ganz zu schweigen von ihm als Schwiegersohn. Vielleicht gehörte das alles zu einem hinterhältigen Spiel.
Während sie sich wieder auf ihren ersten Gang konzentrierten, dachte Andrew über seine Tischnachbarn nach. Bret war nicht so leicht einzuordnen. War er ein gefährlicher Gegner und fähig, jemanden zu erpressen, oder einfach nur ein verdorbenes, aufsässiges großes Kind? Andrew bezweifelte nicht, dass Bret ein wahnsinnig gutes Model abgeben könnte. Er besaß das entsprechende Aussehen, feine Züge, hohe Wangenknochen – das gewisse Etwas. Meine Güte, er sah eigentlich noch besser aus als seine Schwester. War er auch ebenso kühl und berechnend?
Julia hätte wohl nicht gezögert, ihre eigenen Kinder zu verspeisen, wie Marnie es einmal ausgedrückt hatte, und doch schien sie sich auch auf eine merkwürdig verdrehte Weise um sie zu sorgen. Sie hatte Marnie fast sofort akzeptiert, und wenn es sich nicht um eine Finte handelte, dann versuchte sie vielleicht tatsächlich, eine Beziehung zu ihrer Tochter aufzubauen. Die Erklärung für ihr Verhalten könnte jedoch genauso gut in ihren Schuldgefühlen liegen, sollte sie versucht haben, sich ihrer Tochter zu entledigen.
Andrew hätte beinahe Julias Assistentin Rebecca übersehen, die sich immer sehr zurückhaltend verhielt. Mit ihrem glatten braunen Haar und dem schlichten Baumwollkleid fiel sie kaum auf. Sie war zwar ruhig, beobachtete aber sehr intensiv. Stille Wasser gründeten ja bekanntlich tief. Rebecca war ein Niemand, und solchen Leuten hatte er noch nie getraut. Er würde etwas mehr über sie in Erfahrung bringen müssen.
Ein leises zischendes Geräusch lenkte Andrews Blick zur Decke, wo sich zwei riesige Teakholzventilatoren drehten. Die Rotationsblätter gaben mit jeder gemächlichen Bewegung das Bild von einem dichten tropischen Regenwald frei, aus dem Tiere hinter üppigem Grün herunterblickten. Es war auf unheimliche Art schön und erinnerte Andrew an seine Tischnachbarn und die Atmosphäre des Misstrauens, die im Raum herrschte.
“Von welcher Größenordnung reden wir überhaupt?”, wollte Bret von seiner Mutter wissen. “Meinst du, das Fußballstadion in San Diego wird für Alisons und Andrews Zehntausende von Freunden ausreichen?”
Julia ging nicht auf seinen Spott ein. “Ich habe die Gästeliste klein gehalten, weil es so kurzfristig ist. Wir werden fünfzig Leute zum Dinner im großen Speisesalon haben, und anschließend wird im Chinesischen Pavillon getanzt. Nach der Restaurierung passen ja inzwischen mehr Leute rein.”
Auf ihrem Rundgang neulich am Abend hatten sie den Chinesischen Pavillon nicht gesehen. Andrew erinnerte sich aber noch an den Raum von früher, der für eine Tanzveranstaltung an einem milden Sommerabend vortrefflich geeignet war. Doch Julia hatte schon vor Jahren angekündigt, das Dach der Pagode und die orientalischen Drachen seien erneuerungsbedürftig. Er war neugierig, was sie daraus gemacht hatte.
“Das klingt wunderbar”, sagte Marnie. Sie lächelte erfreut, doch Andrew hörte die Anspannung in ihrer Stimme. “Ich habe aber nichts für solche Anlässe mitgebracht.”
“Kein Problem”, entgegnete Julia. “Ich werde meine Stylistin bitten, ein paar Abendroben auszusuchen und vorbeizubringen. Du kannst dir aussuchen, was du möchtest. Rebecca und ich werden dir dabei helfen. Wir machen uns einen schönen Tag.”
Marnie wurde blass. “Aber das ist wirklich …”
Andrew stieß unter dem Tisch gegen ihren Fuß. Sie reagierte wie eine arme Verwandte und nicht wie das verwöhnte Töchterchen aus gutem Hause.
“Großartig”, fing sie sich schnell und setzte hinzu: “Wir sollten Champagner trinken.”
“Oh ja, jede Menge Champagner”, versicherte Julia.
Andrew entging nicht, dass Marnie immer noch mit ihrer Rolle der reichen Tochter, die mit dem silbernen Löffel im Mund auf die Welt gekommen war, zu kämpfen hatte. Eine Abendgesellschaft würde eine große Herausforderung für sie darstellen. Erneut fragte er sich, ob Julia das Fest aus genau diesem Grund organisierte. Bisher hatte Marnie fast alles für Andrew getan, das war ihm klar. Sie hätte
Weitere Kostenlose Bücher