Das Arrangement
herunter auf die Nase, um die Liste der Zutaten zu studieren. “Die Kalorien sind nicht im Zucker, sie sind im Fett. Sieh dir das an – dreihundertfünfzig Kalorien pro Stück. Nur ein einziges Croissant! Die Dinger kann ich nicht essen, und du solltest besser auch die Finger davonlassen.”
Marnie stand schweigend am Fenster, eine Tasse mit dampfendem schwarzem Kaffee in der Hand. Rebecca tat ihr leid, und sie wäre ihr gerne zu Hilfe gekommen. Die blasse Assistentin wurde vor Scham tiefrot, ihr Gesicht leuchtete wie kalifornischer Mohn.
Marnie umfasste ihre Kaffeetasse und stellte sich genüsslich vor, wie sie der anmaßenden Julia den heißen Inhalt über den Kopf schüttete. Doch heute Morgen konnte sie sich keine leichtsinnigen Handlungen erlauben. Sie hätte nicht einmal zum Frühstück hier unten bei “ihrer Familie” sein sollen.
Als sie erwacht war, hatte Andrew sich bereits angezogen und das Haus verlassen. Er hatte ihr eine Nachricht hinterlassen, die besagte, dass er sich um die Angelegenheit kümmern würde, über die sie gesprochen hatten. Marnie nahm an, er wolle wegen der Geschehnisse der letzten Nacht Nachforschungen anstellen. Er hatte ihr ebenfalls nahegelegt, in ihrem Zimmer zu bleiben und sich vom Rest der Familie fernzuhalten. Sie solle behaupten, dass sie sich noch immer nicht ganz wohlfühle und sich ausruhen müsse. Er bestand darauf, dass niemand von dem Anschlag erfuhr, der auf sie verübt worden war.
Marnie blickte durchs Fenster zur Terrasse hinaus. Alle Spuren des zersplitterten Tontopfes auf den Fliesen waren beseitigt. Andrew hatte noch gestern Nacht alles aufgeräumt. Das stand in seiner Nachricht. Er war wirklich sehr gründlich gewesen, und vielleicht sollte sie froh sein, dass er sich solche Mühe machte. Er war entschlossen, dafür zu sorgen, dass ihm bei seinem Vorhaben niemand in die Quere kam, keine Sicherheitsleute oder Polizisten, nicht mal eine besorgte Julia – und ein Teil dieses Vorhabens war es, zu beweisen, dass Marnie den Mord an Butch nicht begangen hatte. Sie sollte wirklich dankbar sein – und kooperativ.
Doch sie konnte einfach diese nagenden Zweifel nicht besiegen. Zwar gab es keine direkten Verdachtsmomente, doch heute Morgen musste sie einfach dieses Schlafzimmer verlassen, in dem er sie eingesperrt hatte. Sie musste einfach raus, sich selbst ein bisschen umsehen, mit den Familienangehörigen reden und sich einen Eindruck von der allgemeinen Stimmung verschaffen.
Wegen ihrer verrückten Übereinkunft war Andrew für sie die einzige Bezugsperson geworden, und sie benötigte ganz dringend noch einen anderen Blickwinkel. Sie war viel zu isoliert, und er hatte zu viel Macht. Sie hatte keine Ahnung, worin seine Nachforschungen bestanden und ob er irgendwelche Fortschritte gemacht hatte. Er sprach nicht darüber, und sie wagte es nicht nachzufragen. Vielleicht fielen ihr nicht die richtigen Fragen ein, oder sie war sich unsicher, ob sie darüber reden sollte. Irgendwie war sie zu seiner Komplizin geworden in einem merkwürdigen Pakt des Schweigens.
Vielleicht könnte sie in Rebecca sogar eine Gleichgesinnte finden, doch Marnie musste auch bei ihr vorsichtig sein. Sie hatte von Anfang an unterschiedliche Signale von dieser Frau erhalten, besonders in Bezug auf Bret. Die beiden mochten sich womöglich auf irgendeine Weise gegen Alison verschworen haben, auch wenn das weit hergeholt schien.
Sie hob die Tasse an ihre Lippen und pustete, um den dampfenden Inhalt ein wenig abzukühlen. Der Kaffee duftete herrlich, aber er war noch zu heiß zum Trinken.
Sie hatte vorsichtigerweise Make-up benutzt, um die kleinen Hautabschürfungen an Wange und Hals zu verdecken. Glücklicherweise gab es keine weiteren sichtbaren Verletzungen. Den Schnitt an der Schläfe hatte sie mit einem Pflaster abgedeckt und das Haar darübergekämmt. Wenn es irgendjemand bemerken sollte, würde sie behaupten, sie habe den Medizinschrank offen gelassen und sich an der Tür gestoßen. Wichtig war, es nicht zu kompliziert zu machen, vor allem, wenn man ständig lügen musste. Sie hasste Lügen, und dabei basierte ihre ganze Existenz zurzeit auf einem riesengroßen Schwindel.
Doch zu ihrer Erleichterung war heute Morgen niemandem etwas Besonderes aufgefallen. Niemand hatte eine Bemerkung gemacht. Julias größte Sorge schien, ob ihre erste Party seit der Renovierung von Sea Clouds ein Erfolg gewesen war.
“Heute Morgen gibt es aber nichts besonders Aufregendes”, beschwerte sich Julia und
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