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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Ausnahmefällen ihr Haus verlassen, und je zwei von ihnen war es sonntags erlaubt, bis zum Ende des Hochamts beim Kirchenportal zu sitzen. Die Leute hier sagten, es bringe Unglück, wenn man ihnen kein Almosen gab.
    «Hast du etwas dabei für sie?», fragte sie Heiltrud.
    «Das Hochamt ist zu Ende, und die hätten längst verschwunden sein müssen», entgegnete ihre Mitschwester. «Los, hinweg mit euch!»
    Serafina sah den dunklen Gestalten nach, wie sie mit eingezogenen Schultern davoneilten, und ihre ohnehin niedergeschlagene Stimmung schlug in tiefe Traurigkeit um. Da erblickte sie den Stadtarzt, der am nahen Brunnen lehnte. Er hob die Hand zum Gruß, doch sie tat, als habe sie ihn nicht bemerkt.
     
    Die nächsten Tage verbrachte Serafina viel Zeit mit Gebeten für Hannes’ Seelenheil und versuchte ansonsten, sich mit aller Kraft auf ihre alltäglichen Pflichten zu konzentrieren. Wobei sie, ganz entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten, jeden unnötigen Gang durch die Gassen der Stadt vermied. Zum Glück befand sich ihr geliebter Garten draußen in der Vorstadt, und bis zum Lehener Tor, durch das es hinausging, waren es nur ein paar Schritte.
    Bei ihrer Ankunft im Haus Zum Christoffel war es Serafina arg gewesen, dass sie kein Handwerk vorweisen konnte. Selbst beim Garnspinnen oder Nähen stellte sie sich eher ungeschickt an. Da hatte die Meisterin den Einfall gehabt, das kleine Feldstück in der Lehener Vorstadt, das ihnen kurz zuvor von einem Wohltäter gestiftet worden war, in einen Gemüsegarten zu verwandeln, und diese Aufgabe Serafina übertragen. Bislang gab es nur ein einziges kümmerliches Beet im Innenhof ihres Anwesens, und dort wollte, weil es zu schattig war, nichts so recht gedeihen. So hatte Serafina hier in Freiburg ihre Liebe zum Gartenbau entdeckt, wobei ihr zupasskam, dass sie als Kind auf dem Land groß geworden war.
    Bis auf die Putzdienste, die sie im Wechsel verrichteten, waren auch die anderen Aufgaben genau verteilt. Catharina, als gewählter Meisterin, oblag neben der Hausaufsicht auch die Buchführung und damit die Kontrolle über die Einnahmen und Ausgaben ihrer Gemeinschaft. Heiltrud ging mehrmals die Woche als Wäscherin in Bürgerhaushalte und brachte dafür gutes Geld nach Hause. Die alte Mette hingegen, die sich ihr Leben lang als Magd bei reichen Leuten im wahrsten Sinne des Wortes krumm und bucklig geschuftet hatte, war zu harter Arbeit nicht mehr zu gebrauchen. Ihr Platz war in der kleinen Werkstatt im Hinterhaus, wo sie das Kerzenziehen betrieb. Adelheid stickte und malte, allerdings nur, wenn sie Lust dazu hatte. Wobei durch ihre wohlhabende Familie ohnehin genug Geld in die Haushaltskasse floss. Grethe schließlich, die Jüngste, war fürs Kochen, Backen und den Einkauf zuständig. Dass sie dies mit großer Hingabe tat, war ihrem drallen Leibesumfang deutlich anzusehen. Wirkte Heiltrud auf Serafina immer wie ein ausgemergelter alter Stelzvogel, so hatte Grethe etwas von einem kugelrunden, blondflaumigen Küken.
    Es war ein gemütliches Heim, das sich die Schwestern Zum Christoffel geschaffen hatten. Seit mehr als sechs Jahrzehnten hatte die Sammlung hier ihr Domizil, auf halber Höhe des verwinkelten Brunnengässleins, in dem Schneider und Seiler ihrem Handwerk nachgingen und das so eng war, dass sich die überkragenden Häuser in der Höhe fast berührten. Ihr kleiner Konvent umfasste das dreigeschossige Vorderhaus mit Küche, Gemeinschaftsraum und Schreibstube im Erdgeschoss und je drei Schlafkammern darüber, den schmalen, von hohen Mauern begrenzten Hof und ein einfaches Hinterhaus aus Holz. Dort waren, unter der hohen, spitzgiebeligen Bühne, die sie als Dörre und Holzlager nutzten, der Hühner- und Ziegenstall sowie die Wachszieherei untergebracht, in der es immer so wunderbar nach Bienenwachs duftete. Serafina hatte Mette anfangs gern und oft bei ihrer Arbeit beobachtet. Es hatte etwas sehr Ruhiges und Besonnenes, wenn ihre Mitschwester vor dem Holzkohleöfchen hockte und die Dochtfäden, immer drei nebeneinander an einem Holzstück, durch das zähflüssige Wachs zog, bis die Kerzen die gewünschte Dicke erreicht hatten.
    Nichts Überflüssiges, kein Zierrat und kein Schnörkel fanden sich in Haus und Hof, abgesehen vielleicht von dem in verspieltem Muster gefliesten Ziegelboden im Erdgeschoss. Dafür war das Vorderhaus bis unters Dach solide aus Stein gebaut und in freundlichem Hellgrau verputzt, mit einem geräumigen Gewölbekeller, wo sich auch der große Zuber für

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