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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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am Arm fest und zog sie in die dunkle Toreinfahrt zurück. «Darf ich dich wiedersehen? Morgen oder übermorgen? Zu einer Ausfahrt an den See?»
    Entgeistert sah sie ihn an. Dann wehrte sie ab: «Wir werden uns gar nicht wiedersehen. Ich verlasse Konstanz.»
    «Vielleicht ist’s ja besser so.» Seine Stimme klang heiser. «Wer weiß, ob deine Gefährtin den Mund halten kann.»
    Plötzlich wurde sie wütend. «So also denkt Ihr von uns Hübschlerinnen? Wir haben vielleicht mehr Standesehre im Leib als so manches Bürgerweib! Und jetzt gehabt Euch wohl.»
    Da zog er sie an sich, beugte sich zu ihr herunter und verschloss ihren Mund mit einem zärtlichen Kuss. Seine Lippen waren weich, weich und verführerisch …
    Mit einem Ruck riss sie sich los und verpasste ihm eine Maulschelle.
    «So nicht, Adalbert Achaz, so nicht.»
    Dann eilte sie im Laufschritt über die Gasse, ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 6
    O bwohl Serafina nach ihren zwei Nächten mit Kranken- und Totenwache hundemüde war, schlief sie auch in der darauffolgenden Nacht schlecht. Immer wieder schreckte sie auf, und am Ende hatte sie vom Haus Zum Blauen Mond geträumt. Hatte geträumt, dass Oswald von Wolkenstein in ihrem Bett lag und lustige Schwänke von sich gab, bis sich sein Gesicht plötzlich in das von Adalbert Achaz verwandelt hatte. Im nächsten Augenblick schon war ein lärmender Pöbel in ihre Schlafkammer gestürmt und hatte einen blutverschmierten Leichnam mit einem Aschenkreuz auf der Stirn zwischen sie beide ins Bett gelegt. Danach war sie erwacht.
    Nachdem Serafina vergeblich versucht hatte, wieder einzuschlafen, stand sie schließlich auf und tappte hinunter in die Küche, um den Herd zu befeuern. Im Haus war noch alles still, und auch von den umliegenden Häusern und Werkstätten war kein Laut zu hören, denn es war Sonntag, der Tag des Herrn.
    «Was hantierst du so früh schon herum? Weckst ja das ganze Haus auf.» Heiltrud stand mit verknittertem Gesicht und Nachthaube auf dem schütteren Haar im Türrahmen. Serafina wusste inzwischen, dass diese Frau nur wenige Jahre älter war als sie selbst, doch mit ihrem verhärmten Aussehen und Gebaren wirkte sie alt wie eine mehrfache Großmutter.
    «Das tut mir leid.» Serafina hatte nicht bedacht, dass Heiltrud ihre Bettstatt genau über der Küche hatte. Sie legte das letzte Scheit Holz nach und erhob sich.
    «Ich hab eine Bitte, Heiltrud. Ich möcht heut gern die Sonntagsmesse im Münster feiern statt bei den Barfüßern. Allein lässt mich die Meisterin wohl kaum gehen – aber wenn du mich begleiten würdest?»
    «Im Münster? Warum das denn?»
    «Wegen der Pfefferkornin. Ich könnt mir denken, dass es ihr noch immer sehr schlecht geht, erst recht, wenn der Pfarrer heut vor aller Welt ihren Sohn als Todsünder brandmarkt. Walburga Wagnerin soll wissen, dass wir an ihrer Seite sind. Und dass wir für Hannes’ Seelenheil beten.»
    «Es hat keinen Sinn, für einen Selbstmörder zu beten.»
    «Das meinst du doch nicht im Ernst, oder? Außerdem ist das mit dem Selbstmord gar nicht sicher. Hast doch selber gehört, was die Frauen im Haus Zur Leiter über Hannes gesagt haben.»
    Der knarrende Dielenboden über ihnen verriet, dass auch die anderen Frauen erwacht waren.
    «Also, was ist?»
    «Meinetwegen. Aber nur, weil mich die arme Pfefferkornin dauert.»
     
    Wie zu erwarten, drängte sich heute das Kirchenvolk weitaus zahlreicher als sonst vor dem Kreuzaltar. Jeder wollte die Familie des Selbstmörders in Augenschein nehmen, jeder wollte hören, was der Herr Pfarrer hierzu zu sagen hatte. Voll besetzt waren auch die Bankreihen, die auf der Männerseite den Ratsherren, Zunftmeistern und Kaufherren vorbehalten waren, auf der Frauenseite deren Ehegenossinnen und Kindern.
    Serafina blickte sich um. Gleich in der ersten Reihe thronte Ratsherr Nidank in seinem besten Sonntagsstaat, in der Bank hinter ihm, mit versteinerter Miene, Magnus Pfefferkorn. Von Diebold war nichts zu sehen. Dafür entdeckte sie Adalbert Achaz, der abseits, ganz für sich, vor einer der Seitenkapellen stand. Er hielt den Kopf gesenkt und hatte die Hände zum Gebet zusammengelegt. Sie musste an den Traum von vergangener Nacht denken und drehte ihm rasch den Rücken zu.
    Vor ihr in der Bank kniete die Pfefferkornin. Ihre beiden Töchter rechts und links pressten sich eng an sie, als wollten sie sie gegen die bohrenden Blicke der Kirchgänger schützen. Für die bedauernswerte Frau

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