Das Aschenkreuz
ihr wöchentliches Bad befand, und einem Dachstuhl für die Vorräte, der mit Schindeln gedeckt war.
Früher hatte es wohl eine Haustür zur Straße hin gegeben. Doch seitdem sich hier die Schwestern eingerichtet hatten, war das Ganze wie ein winziges Kloster mit einer Mauer nach außen abgeschlossen. Durch eine Toreinfahrt, über der ein in Stein gehauenes Kreuz ihre Verbundenheit mit der Vita apostolica bezeugte, einem Leben in Armut, Einfachheit und Demut, gelangte man in den Hof. Von dort führte eine schmucklose Tür ins Haus und eine überdachte Außentreppe in die oberen Stockwerke.
Zur Gründungszeit hatten im Haus Zum Christoffel zwölf Frauen Platz gefunden, je zwei hatten die engen Schlafkammern bewohnt. Zwar stand ihnen nun bedeutend mehr Raum zur Verfügung, doch mit den berühmten Beginenhöfen in Brügge, Gent oder Delft war ihr Haus in nichts zu vergleichen. Nicht einmal mit dem Regelhaus der Schwestern Zum Lämmlein, deren Anwesen neben der Ratsstube der Stadt gleich mehrere Nachbarhäuser umfasste.
Es hatte Serafina keine Mühe gekostet, sich in den Alltag der Schwestern einzufügen. Dabei hatte es sich bald eingespielt, dass sie dienstags, donnerstags und samstags, wenn Markttag war, Grethe beim Einkauf begleitete, auch weil sie am besten wusste, was im Garten reifte und was hinzugekauft werden musste. Seit einigen Tagen jedoch drückte Serafina sich um den Marktgang regelrecht herum. Sie hatte ganz und gar keine Lust, Adalbert Achaz zu begegnen, schützte fadenscheinige Ausreden vor, um nicht in die Stadt zu müssen, oder flüchtete sich in ihre Gartenarbeit. Somit musste Grethe beim Tragen ihrer Einkäufe die Hilfe von Barnabas in Anspruch nehmen, der im Übrigen Grethe fast ebenso sehr verehrte wie Serafina.
«Was ist nur los mit dir?», fragte ihre beste Freundin besorgt. «Du igelst dich im Haus ein oder in deinem Garten, grad als wärst du eine Klosterfrau. Nichts gegen den kleinen Zwerg, aber er kann einem schon gehörig auf die Nerven gehen mit seinem Gebrabbel.»
Serafina war nahe daran, ihr alles zu erzählen, doch dann zuckte sie nur mit den Schultern. Sie hatte sich geschworen, niemandem hier auch nur ein Sterbenswörtchen von ihrer Vergangenheit zu verraten, und da machte auch Grethe keine Ausnahme, leider.
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Kapitel 7
U m Grethe nicht noch mehr zu verstimmen, ließ Serafina sich von ihr überreden, sie zu der kleinen Wallfahrtskapelle oben im Wald zu begleiten. Es war Freitag, genau eine Woche nachdem Hannes tot aufgefunden worden war, als sie sich bei strahlender Morgensonne auf den Weg machten.
«Aber ich sag dir gleich: Ich glaube nichts davon, was dort geschieht.»
«Das hat nichts mit glauben zu tun», lachte Grethe und stopfte sich rasch einen Zipfel Wurst in den Mund. Selbst in ihrer Gürteltasche trug sie immer irgendwelche Vorräte mit sich herum. «Du wirst das Blut mit eigenen Augen sehen. Daran gibt’s nichts zu rütteln.»
Der Weg hinauf zum Kappler Tal dauerte knapp eineinhalb Wegstunden, und auch wenn sich Serafina nichts von diesem weit gerühmten Blutwunder versprach, so genoss sie doch mit all ihren Sinnen die herrliche Natur rundum. Mitten hinein in den Schwarzwald führte das Sträßchen, in sanftem Anstieg durch das breite, sonnige Dreisamtal. Hinter Weiden mit schwarzbuntem Vieh und üppig im Korn stehenden Feldern drängten sich kleine Dörfer an die Waldränder, und dort, wo sich steil die Berge erhoben, klebten hie und da einzelne Gehöfte unter ihren ausladenden Walmdächern an den Hängen. In den Zweigen der Obstbäume gaben die Amseln ihr Morgenkonzert, eine Gänseschar kreuzte mit lautem Geschnatter ihren Weg, Raubvögel zogen hoch über ihnen ihre majestätischen Kreise auf der Suche nach Beute.
Es war erstaunlich, wie viele Menschen an diesem Morgen den weiten Weg auf sich nahmen. Zumal dieser Freitag kein Feiertag war und das Tagwerk viele Stunden lang liegen bleiben würde.
Die Kapelle Sankt Peter und Paul gehörte, mitsamt den umliegenden Höfen und den Hütten der Bergleute, zur geistlichen Herrschaft der Brüder von Sankt Wilhelm. Diese führten zwei Klöster: ein Stadtkloster in der Freiburger Schneckenvorstadt sowie das ursprüngliche Eremitenkloster im abgeschiedenen Oberriet, droben in den Waldbergen. Letzteres allerdings lag nach zwei verheerenden Bränden darnieder, und es war schon das Gerücht umgegangen, ein Fluch liege auf den Mönchen von Oberriet.
Dann aber war es den Brüdern vergönnt, dass am
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