Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
letzten Mann. Denn sehet, die Armeen des Westens führten Fackeln mit sich, und als die finstre Nacht ihren Mantel aus Dunkelheit über die Walstatt vor der Stadt breitete, entzündeten sie die Fackeln, auf daß kein Malloreaner ihrer Rache zu entkommen vermochte. Und die Beobachter in der Stadt weinten und kamen heraus, um die Armeen inständig zu bitten, dem Gemetzel ein Ende zu bereiten, denn gar groß war ihr Mitleid mit den Malloreanern. Der grimmige Brand jedoch, Wächter von Riva und Oberbefehlshaber der Armeen des Westens, verhärtete sein Herz gegen ihr Flehen und machte dem Gemetzel kein Ende. Und er gab ihnen zur Antwort und sprach: »Niemals wieder! Niemals wieder werden Angarakaner in den Westen kommen. Weder Baum noch Strauch, weder Samen noch Wurzel sollen dieser Rodung entgehen!«
Und in der Nacht, als die Fackeln heruntergebrannt waren, kamen die Krieger von Ulgo in ihren Schuppenpanzern hervor und suchten nach Verwundeten und erschlugen sie. Und keiner entkam, denn fürwahr, nichts bleibt vor den Kriegern von Ulgo im Dunkeln verborgen.
Und als am vierten Tage die dunstige Dämmerung anbrach, war das Kriegsheer nicht mehr, und die Massen der Erschlagenen wurden zu Haufen aufgeschichtet auf der Ebene vor der Stadt, und so weit das Auge reichte verschandelte der Untergang Angaraks die schöne Ebene.
Und Brand erhob die Stimme und sprach: »Bringt mir den Leichnam des Verfluchten herbei, den ich erschlagen habe, damit ich den Verruchten sehen kann, der König und Gott der ganzen Welt sein wollte!«
Doch sehet!, der Körper des entstellten Torak war nicht mehr unter den Erschlagenen. Denn es hatte sich zugetragen, daß Zedar der Zauberer, welcher stets zur Rechten Kal-Toraks saß, in der Nacht einen Zauber gesprochen hatte und sich ungesehen durch die Armeen des Westens geschlichen hatte, vorbei an Sendarer und Tolnedrer, an Arender und Drasnier, Algarier und Chereker, am grimmigen Rivaner gar und dem katzenäugigen Ulgo, und er hatte den mächtigen Körper des entstellten Gottes hinweggeschafft. Und Brand war voller Sorge und beriet sich mit seinen beiden engsten Ratgebern, dem grauen alten Mann, dessen Namen niemand kannte, und der dunkelhaarigen Frau mit der silbrigen Schläfenlocke, die durch das Lager schritt wie die Königin der Welt. Und die drei befragten die Omen und waren voller Sorge, und der betagte Mann ergriff das Wort und sprach: »Siehe, Wächter von Riva, dein Feind ist dir entkommen. Torak ist nicht tot, er schlummert nur und wird sich wieder erheben.«
Brand aber entgegnete ihm und sprach: »Er ist erschlagen. Das namenlose Schwert, das ich führe, hat ihn des Lebens beraubt. Niemand vermag einem solchen Streich zu widerstehen, wie der Verfluchte ihn hinnehmen mußte.«
Der betagte Mann aber entgegnete ihm und sprach: »Sei nicht zu stolz, Wächter von Riva. Denn Torak, der König und Gott der Angarakaner, ist nicht von sterblichem Geschlecht. Er ist ein Gott – ein dunkler Gott und ein böser, aber gleichwohl ein Gott. Kein Hieb von einer sterblichen Waffe, mag sie auch sein Herz durchbohren, kann ihn erschlagen. In diesem Augenblicke hat Belzedar, der Verräter, ihn hinweggeschafft und verborgen, auf daß wir ihn nicht finden und in Ketten legen können und auf daß er nicht erwache.«
Und Brand war ernüchtert ob der Worte seines Ratgebers, und er fragte und sprach: »Und wann wird der Dunkle Gott erwachen? Ich muß es wissen, auf daß ich die Königreiche des Westens für seine Wiederkunft wappnen kann.«
Und die Frau ergriff das Wort und sprach: »Wenn wieder ein König aus dem Geschlecht von Riva auf seinem nördlichen Throne sitzet; wenn das Feuer des Orb wieder entzündet wird durch seine Berührung und die Hallen des rivanischen Königs vom Lichte jenes Auges erfüllt sind, dann wird der Dunkle Gott erwachen und hervorkommen aus seinem Schlaf, um den Westen und den rivanischen König mit Krieg zu überziehen. Und dann wird es geschehen, daß sie aufeinandertreffen – ebenso, wie du und Torak aufeinandergetroffen seid, und der eine wird den anderen erschlagen, und das Schicksal der Welt wird entschieden in diesem Kampfe.« Und Brand erwiderte und sprach: »Aber das Geschlecht von Riva ist nicht mehr, und die Hallen des rivanischen Königs sind dunkel und leer. Wie soll das Geschlecht sich erneuern, wenn es tot darniederliegt? Wie soll ein toter Baum Früchte tragen? Und wenn Torak ein Gott ist, wie du sagtest, wie könnte dann selbst das große Schwert des
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