Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
hier einige, welche die göttliche Herrlichkeit, deren Zeugen wir geworden sind, nicht zu erkennen vermögen. Für manche ist es ein Leichtes zu erkennen, wenn ein Mann von einem Gott berührt wurde. Für andere ist eine solche Erkenntnis ein schwierig Ding. Ein Wunder mag nicht gesehen oder übersehen werden, falls die Bedeutung dieses Wunders nicht nach dem Geschmack desjenigen ist, der es erlebt. Die gesamte Streitmacht des Westens ist auf diesem Feld versammelt. Ein möglicher Krieg an dieser Stätte könnte uns grausamer vernichten, als das unermeßliche Mallorea oder die Macht Angaraks mitsamt dem Bösen Torak es je vermocht hätten. Fürwahr, liebe, Brüder, es möchten die Städte des Westens in Schutt und Asche gelegt und die Königreiche verwüstet und die Menschen in die Wildnis getrieben werden. Alorien ist eins, und Sendarien steht an seiner Seite, aber was ist mit dem Kaiserlichen Tolnedra? Wie erklärt sich das Heilige Ulgo? Was sagt die Königin des Schlangenvolkes im Dunklen Nyissa? Wenn wir uns bekriegen, liebe Brüder, was wird dann bleiben? Welchen Rest von Menschlichkeit werden wir dann noch besitzen? Wenn wir uns gegenseitig zerfleischen, könnten dann nicht Malloreaner und Murgo, Nadraker und Thull über unsere Überbleibsel herfallen? Würden sie dann nicht unsere armen Überlebenden zu Scharen in die Hände der Finsteren Grolim-Priester treiben, und würden diese dann nicht ihre unaussprechlichen Rituale zur Feier des Sieges jenes Dunklen Gottes begehen, über den wir soeben triumphiert haben?« Da erhob sich Podiss, der Abgesandte von Nyissa, Botschafter von Salmissra, Königin des Schlangenvolkes, und wandte sich mit großem Zorn an die alornischen Könige und sprach: »Gar sehr muß ich mich wundern, daß Könige bereit und willens sind, sich einem Manne zu unterwerfen, dessen Namen keine vornehme Herkunft verheißt. Meine Herrin, die Ewige Königin Salmissra vom dichtbewaldeten Nyissa, wird sich nimmer der Oberhoheit eines namenlosen alornischen Schlächters beugen.«
Und darob erzürnte Eldrig, König von Cherek, und desgleichen Cho-Ram und auch Rhodar von Drasnien. Und Cho-Ram von Algarien entgegnete und sprach: »Könnte es sein, daß das Gedächtnis des Abgesandten der Ewigen Salmissra ein wenig zu kurz ist? Und das der Schlangenfrau in Sthiss Tor ebenso? Würde man ihr nicht einen Dienst erweisen, wenn man ihr die Folgen ins Gedächtnis riefe, die der zu gewärtigen hat, der Alorien beleidigt? Lasset uns ihr den Kopf dieses bösartigen Botschafters senden, auf daß ihr Gedächtnis aufgefrischt werde.«
Da erhob sich Mergon, Gesandter von Tolnedra am Hofe zu Vo Mimbre, und sprach: »Hoheiten, mächtige Könige des Nordens, viel Wundersames haben wir hier geschaut. Der Große Brand, ein Krieger, der seinesgleichen sucht, hat den Dunklen Torak besiegt, und trefflich haben wir die Verwüstung Drasniens und die Invasion Algariens an den Horden Angaraks gerächt. Ich grüße Brand im Namen seiner Kaiserlichen Majestät, Ran Borunes IV. der Krone der dritten Borunischen Dynastie, und spreche die kaiserliche Einladung an den edlen Wächter von Riva aus, an den Hof von Tol Honeth zu kommen, damit mein Kaiser ihn so ehren kann, wie es dem ersten Krieger des Westens gebührt. Lasset uns jedoch in der ersten Aufwallung von Bewunderung und Dankbarkeit keine übereilten Entscheidungen treffen, die wie hinterher nicht mehr rückgängig machen können. Der edle Brand, da bin ich gewiß, wird mir beipflichten, daß die Kunst des Krieges und die Kunst des Friedens in keiner Weise vergleichbar sind. Und selten sind die Fähigkeiten des Kriegers und des Friedensstifters in einem Mann vereint. Eine Schlacht ist bald vorüber, und ein Krieg dauert nicht ewig. Die Bürden des Friedens jedoch werden drückender mit jedem Jahr. Zudem empfinde ich tiefe Sorge ob dieses Geredes über Alorien. Von Cherek habe ich gehört, und von Drasnien, und auch von Algarien. Und wer wüßte nicht von der Insel der Stürme und dem uneinnehmbaren Riva? Aber wo ist dieses Alorien? Wo verlaufen seine Grenzen? Wo liegt dieses geheimnisvolle Land des Nordens? Wo ist seine Hauptstadt? Fürwahr, seit der Teilung in den Tagen König Cherek Bärenschulters und seiner drei mächtigen Söhne hat Alorien zu bestehen aufgehört. Oh, ich bin beunruhigt über die Wiederauferstehung eines Königreichs, das schon seit langem in den Nebeln der Vorzeit verschwunden ist. Das Kaiserliche Tolnedra muß sich mit der irdischen Wirklichkeit
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