Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
welche die Könige von Alorien mir antun wollen, könnte ich nicht tragen. Ich fühle schon jetzt, wie sie mich niederdrückt. Und wie sollte ich überdies im abgelegenen Riva Oberhoheit und Herrschaft aufrechterhalten? Wie sollte ich davon erfahren, wenn die Völker im tiefsten Nyissa hungerten, die Herden im fernsten Algarien verdursteten oder die Höhlen des Heiligen Ulgo in sich zusammenstürzten und die Kinder von UL unter der Erde begrüben? Und was ist mit den Göttern? Würde Nedra einem Sohn des Bärengottes erlauben, die Macht in Tol Honeth auszuüben? Würden Chaldan oder Issa meine Oberhoheit in Arendien oder im Lande des Schlangenvolkes hinnehmen? Und was ist mit dem geheimnisvollen UL? Und mit Aldur, dem Gott, der sich abseits hält? Die Oberherrschaft darf kein Mensch verleihen, sie m uß einem Manne als Pflicht von den Göttern auferlegt werden. Und so, meine Könige und Herren, darf ich diese Ehre nicht annehmen. Und wir alle sollten uns hüten, daß wir uns hier in unserer scheinbaren Macht soweit erheben, daß wir die Götter kränken. Und wehe, wenn unsere Kämpfe zu heftig würden! Könnten wir dann nicht wieder einen Streit parteiischer Götter erleben? Und wenn die Götter in den Krieg zögen, würden sie nicht die ganze Welt zerstören?«
Da erhob sich der betagte Mann, welcher den Wächter von Riva beriet, und er ergriff das Wort und sprach: »Groß ist die Weisheit Brands. Höret auf seine Worte, o ihr Könige und Herren des Westens, und beleidigt nicht die Götter durch euren frevelhaften Übermut. Aber sollte es nicht zumindest ein Zeichen der Dankbarkeit für Brand und Riva geben?«
Und der Gorim von Ulgo betrachtete den betagten Mann lange und erkannte ihn, und er entgegnete und sprach: »Du weißt, Unsterblicher, daß Torak besiegt, aber nicht erschlagen ist.« »Ja«, sprach der Betagte.
»Und du willst die Prophezeiung erfüllen?« sprach der Gorim.
»Sie muß erfüllt werden«, sprach der Betagte. »Verhelfen wir den Prophezeiungen nicht durch unser Wirken zur Erfüllung, werden sie sich gegen uns erfüllen, und seltsam und unziemlich zumal. Der Ausgang der großen Schlacht ist noch immer nicht entschieden, und alles würde ich tun, dem Kämpen des Westens zu helfen! Wenn er nicht siegt, wenn er gar fällt, wird der verderbte Torak die Welt unter sein Joch zwingen, und alle Menschen werden seine Sklaven.« Und der Gorim von Ulgo entgegnete und sprach: »Die Prophezeiung ist alt, und ihre Bedeutung ist verdunkelt durch den Staub der vielen Jahre. Seid Ihr sicher, Unsterblicher, daß sie nicht durch irgendwelche Ereignisse in der fernen Vergangenheit verzerrt worden ist?«
Und der Betagte entgegnete und sprach: »Die Omen besitzen Gültigkeit. Die Prophezeiung ist unversehrt. Er wird sich offenbaren und seinen Thron beanspruchen, und eine große Prinzessin wird ihm als Gemahlin gehören. Und auf sein Kommen hin wird Torak seinen Schlaf abschütteln und ein zweites Mal in den Westen kommen. Und die beiden werden einander begegnen und miteinander kämpfen, und der eine wird erschlagen und der andere Oberherr des Westens werden.« Und er wandte sich an die alornischen Könige und entgegnete ihnen und sprach: »Das war nicht wohlgetan, Eldrig von Cherek. Der, welcher eine Prophezeiung für seine Zwecke zu verdrehen sucht, reizt die Götter mit frevelhaftem Übermut. Die letzte Schlacht ist noch nicht geschlagen, und Torak ist nicht tot.«
Und da geriet Eldrig in einen großen Zorn, und er erhob sich und machte Anstalten, den Betagten zu schlagen. Da aber fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, und er erkannte sein Gegenüber, und er erzitterte vor ihm und entgegnete und sprach: »Vergib mir, Altehrwürdiger, Geliebter von Aldur und Gefährte Belars, daß ich dich und die Götter beleidigte. Ich wollte nur in den Tagen der Erfüllung der Prophezeiung leben.«
Und der Gorim von Ulgo entgegnete und sprach: »Großer König des zeitlosen Cherek, die Prophezeiung wird erfüllt, doch nicht in Eurer und nicht in meiner Zeit. Der Tag aber wird kommen, da der König des Westens seinen Thron besteigt, und die letzte Schlacht wird geschlagen werden, und das Geschick der Welt wird an diesem Kommen und an dieser Schlacht hängen. Was wir hier geschaut, war nur ein Vorspiel. Zu gegebener Zeit wird man zur Schlacht aufeinandertreffen. Wir jedoch müssen zufrieden sein, daß unser Tun gerecht und richtig war und die Welt ob unserer Taten besser ist, als sie es ohne unser Tun wäre.« Und mit diesen
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