Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
nun (leider) Königin von Riva, mich mit dieser Aufgabe betraute; ich mußte mich mit möglichst guter Miene einverstanden erklären. Es ist eine armselige Belohnung für die Hilfe und Unterstützung, die ich ihr auf dieser abscheulichen Reise vor zehn Jahren gewährt habe. Treu ihrer Natur – und, wie ich hinzufügen darf, der Natur aller Boruner – hat Prinzessin Ce'Nedra es vorgezogen, eine der altehrwürdigsten Traditionen der Gelehrtengemeinschaft zu brechen. Es ist Brauch, wenn ich mir die Kühnheit gestatten darf, Ihre Majestät darauf hinzuweisen, daß ein Kaiserlicher Hauslehrer nach Beendigung seines Dienstes am Zögling auf einen der angesehensten Lehrstühle der Kaiserlichen Universität berufen wird. Aus diesem Grunde – und allein aus diesem Grunde – habe ich anfangs meine Stelle im Palast angetreten. Ich versichere ihr, daß meine treue Erfüllung der nahezu unmöglichen Aufgabe, einer eigensinnigen, überheblichen, verzogenen und verwöhnten Schülerin zumindest einen Anschein von Bildung einzutrichtern, keinen anderen Beweggrund hatte. Meine Feinde freuen sich nun zweifellos voller Häme über das Schicksal, das meine Offenheit an diesem Ort unabweislich über mich bringen wird. Um sie unverzüglich auch dieser kleinen Freude zu berauben, möchte ich hiermit klarstellen, daß es meine unumstößliche Absicht ist, nach Beendigung dieser hassenswerten Aufgabe in das Kloster von Mar Terin einzutreten und meine letzten Jahre in Frieden und Stille zu verbringen, während nichts als das Kreischen des Geistes von Mara und die Klagerufe der maragischen Gespenster meinen Schlummer stören. An diesem heiligen Ort, außerhalb der Reichweite Kaiserlicher Belohnung oder Strafe, werde ich als letzter und am herzlichsten über das Unbehagen lachen können, das meine Worte hier denjenigen bereiten werden, die mich so grausam betrogen haben.
Es ist gewiß angemessen, daß ein tüchtiger Gelehrter jene bemerkenswerten Ereignisse festhält, die sich vor zehn Jahren zugetragen haben, doch die vorliegende Ansammlung von leerem Gerede ist ganz gewiß nicht diese notwendige Abhandlung. Sobald ich mich im Heiligtum von Mar Terin in Sicherheit befinde, werde ich diese Abhandlung in Angriff nehmen. Mögen die Mächtigen zittern! Es ist meine Absicht, jene Ereignisse genau so wiederzugeben, wie sie sich abgespielt haben. Ich beuge nicht das Knie vor irgendeinem hochtönenden, leeren Konzept borunischer Würde, noch erbebe ich vor Ehrfurcht bei der Erwähnung des rivanischen Königs. Ich weiß, daß Ran Borune XXIII. ein törichter Tattergreis ist, der angemessene Höhepunkt der dritten (und hoffentlich letzten) Borunischen Dynastie. Ich weiß, daß Ce'Nedra ein ungezogenes Balg ist. Ich weiß, daß Garion (oder Belgarion, wie er sich jetzt gerne nennen läßt) nur ein Küchenjunge ist, der durch Zufall auf den Thron in Riva gekommen ist. Ich weiß, daß Belgarath ein Scharlatan oder ein Wahnsinniger oder Schlimmeres ist. Und ich weiß, daß Polgara, diese unmögliche Frau, nicht besser ist, als man es erwarten darf.
Doch nun zu den fraglichen Dokumenten. Als mir dieses Ungetüm von Barak diesen Wust chaotischen Materials übergab, lachte ich nur, denn was anderes als eine Fälschung hätte es sein können? Das großsprecherische, sich selbst beweihräuchernde Vorwort von Belgarath zeigt auf den ersten Blick, wie ernst man die ganze Angelegenheit nehmen sollte. Wenn wir diesem absurden Zeugnis glauben wollten, wäre Belgarath über siebentausend Jahre alt, pflegte regelmäßigen Umgang mit Göttern, redete mit Tieren und vollbrächte mit einem Fingerschnipsen Wunder. Ich kann nur staunen, daß selbst die schwach ausgeprägte Intelligenz meiner einstigen Schülerin eine so verstiegene Geschichte glauben konnte; denn wenn sie auch die typische borunische Starrköpfigkeit besitzt, so ist ihr während ihrer prägenden Jahre doch auch der unschätzbare Vorzug meiner Unterweisung zuteil geworden. Die nächste Sammlung in diesem Wirrwarr von Dokumenten besteht aus einer Reihe von Auszügen aus heiligen Schriften der unterschiedlichsten Völker der bekannten Welt. Die Manuskripte (allesamt gestohlen, dessen bin ich gewiß) lassen sich kaum verifizieren. Die Sprüche Nedras beispielsweise stammen von der Liste, welche die Priester im Großen Tempel von Tol Honeth abgesegnet haben. Die Klage Maras, die hier wiedergegeben wird, unterscheidet sich nur unwesentlich von einer Abschrift in meiner eigenen Bibliothek. Das Buch von Alorn
Weitere Kostenlose Bücher