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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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Halluzinationen. Hier Lärm und Gerüche, die von Leben zeugten. Das Ziehen des Magens holte ihn aus dem düsteren Gewirr seines Wahns, der Hunger meldete sich wieder. Sein Körper bestand auf einem normalen Ablauf der Dinge. Deshalb setzte er sich in das erstbeste Restaurant, nur eine winzige Küche und acht Tische, nach drei Seiten zur Straße hin offen. Noch bevor der Kellner das üppige Curry servierte, öffnete er den Brief. Bereits bei der ersten Zeile stockte er.
Lieber Leonard,
wir wissen, wir hätten vielleicht früher mit dir darüber sprechen sollen.
Da seine Eltern nie über ihre Gefühle sprachen, konnte sich der Satz nur auf ihre Arbeit beziehen. Es erstaunte ihn, da er glaubte, Martha und Evan befänden sich im Ruhestand, wenn auch unfreiwillig. In der Vergangenheit hatten sie sich mit Nahtod-Patienten beschäftigt. Sammelten und analysierten Aussagen von Personen, die dem klinischen Tod entkamen. Medizinische Notfälle, die, wiederbelebt, von Erlebnissen an der Grenze des Todes berichteten. Über dieses Thema hatten Martha und Evan Finney ihr erstes Buch veröffentlicht: Das unentdeckte Land.
Seine Eltern hielten die Schwelle zum Jenseits für existent. Er hingegen glaubte, die in dem Buch zitierten Personen seien nur Opfer einer Illusion. Obwohl sich die Berichte auf verblüffende Weise ähnelten, und das bei Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Bei den Fachkollegen hatten diese ersten Forschungsergebnisse noch Anklang gefunden. In der Folge jedoch verstiegen sich seine Eltern zu Theorien über die Jenseits-Schwelle, die ihnen nur Spott einbrachten. Der Grund, warum sie schließlich alles aufgaben. Und auf einer 18-Meter-Yacht ihrem Lebensabend entgegensegelten. Fernab von der Verachtung jener Kreise, in denen sie selbst einmal als Koryphäen gegolten hatten.
    Ein Irrtum, wie er jetzt erkannte. Hier im Fernen Osten setzten sie ihre Arbeit fort. Leonard erwartete eine Erklärung für das -Dringend-, mit dem sie ihn hergelockt hatten. Doch der Brief verwandelte alles, was er über seine Eltern zu wissen glaubte, in Asche. Die Zeilen verrieten nicht, wann es angefangen hatte, wie tief Martha und Evan inzwischen im Sumpf des Okkulten versanken. Zunächst beschrieben sie eine berhantu- Zeremonie, das Herbeirufen eines Geistes. Sie bezeichneten es als unspektakulären Zirkus, zu dem jeder gewöhnliche Dorfheiler in der Lage sei. Dann erwähnten sie ein anderes Ritual, eines, das weiter hineinführe, Gefahren berge und dem deshalb nur Eingeweihte beiwohnen dürften. Es gelang ihnen, an einem solchen Ritual teilzunehmen. Und dabei war es passiert.
Diese Trance führten drei Schamanen, wahre Meister ihrer Zunft, gleichzeitig aus. Das schier unglaubliche war, daß sich die beiden anderen an Orten befanden, die mehrere hundert Kilometer entfernt lagen. Und die Person, der diese Séance galt, saß in London! Natürlich mussten wir etwas verwenden, das von dir stammte.
Die Worte stießen eiskalte Nadeln in sein Rückenmark. Ihn selbst hatten sie in das Zentrum dieses Voodoo-Wahnsinns gestellt! Leonard wischte eine Schweißperle von der Schläfe. Dabei berührten seine Finger das Haar, und er fuhr hindurch, als könne er feststellen, ob sie ihm im Schlaf heimlich eine Locke abgeschnitten hatten.
In dem Brief fand er keinen Hinweis, was von ihm stammte . Und der letzte Absatz klang wie von der Wand einer Irrenhauszelle abgeschrieben.
„Plötzlich riss die Haut des Mannes auf. Unterhalb des Halses. Als hätte ihn die Pranke eines Tigers getroffen. Ohne jede Einwirkung von außen! Er wurde nach hinten geschleudert, blutete stark aus vier länglichen Wunden. Er brauchte Stunden, um das Bewußtsein wiederzuerlangen. Stunden, in denen er häufig immer wieder zwei Worte wiederholte: mata hitam. Ein malaiischer Ausdruck. Es bedeutet: Auge der Dunkelheit. Einfach unfaßbar. Und diese Fachidioten halten uns für Spinner. Und dann sagte er es uns. Vermutlich verriet er einige Dinge nur, weil sein Verstand noch vernebelt war. Es ist ein BEWEIS! Wir haben das nie für möglich gehalten, in unseren kühnsten Träumen nicht. Am nächsten Tag verschwand der Schamane. Wir werden versuchen, ihn zu finden. Wir müssen ALLES erfahren. Wir erzählen es dir, wenn wir uns treffen. Wir MÜSSEN es dir erzählen.“
Leonard keuchte. Für ihn enthielten die wirren Zeilen nur einen Beweis: Martha und Evan hatten ihren Verstand verloren. Der obskure Anrufer schlich sich wieder in seine Gedanken. Ignorierten seine Eltern mit

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