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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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Ihre Augen, sich langsam eintrübend, durchwanderten Jahrzehnte. Unmut mischte sich in seine Ratlosigkeit über ihre sinnlosen Worte. Warum wollte Alte nicht verstehen, verweigerte ihm die Hilfe? Mühsam kämpfte er die Verärgerung nieder. Die Frau traf keine Schuld. Irgendein traumatisches Erlebnis verwirrte ihren Geist.
„Ich habe alles aufbewahrt.“
Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern.
„Wie du gesagt hast. Rumah kuning . Du weißt? Makam saya . Niemand hat es erfahren.“
Diese Augen. Sie stachen in sein Herz, kochten sein Blut. Die Gegenstände im Raum zerflossen, sein Kopf drohte zu platzen.
„Bitte! Es tut mir leid. Ich kann ...“
Er wandte sich um, musste raus hier. Mit einer plötzlichen Änderung ihres Tonfalls, die ihn erschreckte, forderte sie ihn auf, zu bleiben.
„Das, was du im Kopf hast, gab er dir.“
Ihre knorrige Hand berührte seinen Unterarm, sacht, als ließe sich ein Schmetterling darauf nieder. Ein Schmetterling mit einer flüchtigen, blassblauen Zeichnung auf den Flügeln. Sie schloss die Augen und ihre Lippen bewegten sich stumm. Sofort fiel das Dröhnen in seinem Kopf ab zu einem Brummen, der Druck wich, das Pochen verlangsamte sich und verschwand endgültig. Sekunden später fühlte er sich, als habe man ein Ventil geöffnet und den Schmerz zischend ausfahren lassen. Noch benommen registrierte er, dass ihrer Hand keine Körperwärme entströmte. Bisher dachte er, Dinge, die nicht warm waren, müssten kalt sein. Auf ihrer Haut spürte er überhaupt keine Temperatur. Den Kopf in den Nacken gelegt bewegte er ihn vorsichtig nach allen Seiten. Wie jemand, der nach einem Sturz vom Fahrrad überprüfte, ob alles noch dort saß, wo es hingehörte.
`Wie hat sie das gemacht?´
Wieder setzte sie ein Lächeln auf, anders als das erste, wehmütiger. Ein verstörender Gedanke stieg in ihm auf, erzeugte einen Hauch von Obszönität. Ihre von Falten umkräuselten Lippen formten den Schmerz einer Frau, die wusste, dass sie ihren Geliebten nicht mehr wiedersehen würde.
„Geh. Geh jetzt. Du hast nicht mehr viel Zeit.“
„Hören Sie, ich habe keine Ahnung, was ...“
Mit leiser Stimme unterbrach sie ihn.
„Einer von ihnen ist hier. Er wird versuchen, dich zu töten.“
    Irre, dachte Leonard. Noch jetzt, drei Tage später, hallte das merkwürdige Geschwätz der Alten in ihm nach. Sie hatte ihn mit jemandem verwechselt. Ganz sicher war er nicht zurückgekommen, nie zuvor in Singapur gewesen. Nicht einmal in Asien.
Seine Augen suchten im Halbdunkel des Raumes. In der hintersten Ecke, dort, wo sie gesessen hatte, stapelten sich vier Kartons. Den oberen krönte eine dicke Staubsicht. Sie lagen schon länger dort. Länger als drei Tage!
Plötzlich schreckte ihn eine Spiegelung im Schaufenster der Apotheke. Die Silhouette einer Gestalt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Nur ihre Umrisse eben noch wahrnehmbar im Schatten eines Arkadenganges. Ein Mann, vermutete Leonard. Der Kopfform nach trug er das Haar kurz geschoren. Als werfe ein Projektor das Bild auf das Fensterglas, erkannte Leonard mit aller Deutlichkeit das Weiße der Augen. Unverhohlen richteten sich diese Augen auf ihn. Ein Schauder durchfuhr Leonard. Auch diese Gestalt hatte er schon mal gesehen. An der gleichen Stelle, direkt nach der spukartigen Begegnung mit der alten Frau, als er die Apotheke wieder verlassen hatte. Und wie beim ersten Mal beunruhigte sie Leonard. Weil sie nicht vollständig mit dem Dunkel verschmolz. Ein einziger Schritt hinein in den Schatten würde den Mann gänzlich verbergen. Diese Bewegung hätte ihn keine Mühe gekostet, und doch verzichtete er darauf. Er wollte entdeckt werden. Schleichend verband sich in seinem Inneren der bedrohliche Klang einer Stimme mit dem Mann auf der anderen Straßenseite.
Einer von ihnen ist hier. Er wird versuchen, dich zu töten.
Mit der Geschwindigkeit eines Wimpernschlages fuhr er herum. Die Gestalt war verschwunden. Oder nie dort gewesen? Wie die Alte mit den jungen Augen nur Täuschung? Was aber pflanzte ihm dann diese Bilder ein?
Ich verliere den Verstand, dachte er.
Diese Erscheinungen durchtrennten einige seiner Nervenbahnen. Die losen Enden peitschten wie vom Sturm zerrissene Stromleitungen, funkensprühend. Er floh, hastete über eine vierspurige Straße, fand sich unvermittelt im quirligen Little India. Und meinte, dabei eine Grenze überschritten zu haben. Dort drüben, jenseits, diese Gruft von einem Hotel, eine Straße voller

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