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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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ereilen würde. Worin sie bestehen sollte, sprach er damals in Prome in aller Deutlichkeit aus.
„Ich weiß“, sagte er, „der Captain hatte den Sergeanten Waite auf dem Kieker. In Rangoon, als er das Kommando antrat, mussten wir Aufstellung nehmen. Und dann pflanzte er sich mit einem Bajonett in der Hand vor Waite auf. Bei Gott, Vater, er stand kurz davor, ihn niederzustechen. Einzig, um seine Autorität unter Beweis zu stellen. An der Sache mit den vier angeblichen Rebellen stimmt was nicht. Bei dem Kampf wurde Waite durch einen Stich in den Hals niedergestreckt. Aber er trug einen Revolver. Kein Gegner wäre so dicht an ihn rangekommen. Und ich bin sicher, der Captain verbarg etwas unter seiner Jacke. Und seitdem, das schwöre ich, wird er immer irrer. Wenn er sich unbeobachtet glaubt, murmelt er vor sich hin. Niemand darf es erfahren. Immer wieder.“ Und mit einem Zittern in der Stimme setzte Leachman hinzu: „Vater, wir folgen dem Leibhaftigen durch dieses verfluchte Land. Er wird unser aller Tod sein.“
Zu diesem Zeitpunkt, in der Garnison Prome, schrieb ich die düstere Prognose Leachmans schwachen Nerven zu, zermürbt von den Tropen und den blutigen Auseinandersetzungen, in die er bereits jahrelang verwickelt war. Zu leicht habe ich es mir gemacht. Und verblendet war ich, oh, ja. Denn nur wenig später entdeckte ich die Ursache für meine Unruhe, die Conleys Zeichnung des Dolches ausgelöst hatte. Weil dieser Dolch im Zusammenhang stand mit einer Legende, die ich selbst niedergeschrieben habe. Hier, in diesem Büchlein. Ich beeilte mich, Captain Conley aufzusuchen. Wenn zutraf, was ich ahnte, standen wir vor einer sensationellen Entdeckung.

Kapitel 24
    Januar 1988, Rangun, Burma
    Nach Einbruch der Dunkelheit stellte das Imperial Stühle unter die Arkade, die den Eingang überspannte. In seinen guten Tagen mochte das Hotel bequeme Sessel aus geflochtenem Bambus besessen haben, mit dicken Baumwollpolstern. Heute standen ihm nur noch Stahlrohrstühle zur Verfügung, mit harten Sitzflächen aus Plastik, die Risse geflickt mit Klebeband. Auf Nachfrage wurde noch ein Tisch herausgebracht, den man eher im Verhörraum einer Polizeistation vermuten würde, schmucklos, mit abgeplatztem Belag. Ellen und ihr Fotograf Ruud van Thijs machten es sich so bequem wie möglich. Um diese Jahreszeit waren die Abende angenehm mild. Rangun döste in der Düsternis. Es gab weder die in anderen Großstädten üblichen Kaskaden aus Neonreklamen, noch die endlosen Girlanden hell strahlender Straßenlaternen. Das magere Licht wurde noch durch häufige Stromausfälle reduziert. Die Häuserzeile gegenüber des Imperial lag komplett im Dunkeln.
Ruud füllte Ellens Glas aus einer frischen Flasche Bier.
„Du siehst bezaubernd aus. Ist das Kleid neu? Ich hab es vorher noch nie gesehen.“
„Nein, ich hab es schon die ganze Zeit dabei. Ich wollte es nur aufheben. Für einen besonderen Abend.“
Der Ton ihrer Stimme sagte ihm, dass sein wochenlanges Ringen um ihre Zuneigung Erfolg zeigte. Und das Kleid würden seine Hände heute Nacht über ihre schlanken Schultern ziehen. Er reichte ihr das Glas. Dabei fuhr er mit seinem Zeigefinger sacht über ihren Handrücken. Lächelnd zog sie die Hand zurück, die Waage haltend zwischen Einverständnis und Reserviertheit.
„Warum seid ihr deutschen Frauen immer so sperrig?“
„Sind wir gar nicht.“ Mit beiden Händen fasste sie ihr Glas und sah ihn aus unergründlichen Augen an. „Ihr Holländer seid immer zu schnell.“
„Nur oberhalb der Gürtellinie.“
„Du bist unmöglich“, scherzte sie und wies mit einer Geste über seine Schulter. Er drehte sich zu dem schlanken Schatten um, der neben dem Hoteleingang saß. Ein junges, burmesisches Mädchen, das die beiden mit ausdruckslosem Gesicht beobachtete.
„Sie versteht doch kein Wort davon“, wiegelte er ab.
„Hallo, Nini. Ich liebe dich“, rief er dem Mädchen zu.
Es rief keine Reaktion hervor.
„Siehst du.“
„Sie kriegt mehr mit, als du denkst.“
Ellen warf dem Mädchen einen Funken Wärme zu. Und Nini antwortete mit einem stummen Dank, schleierhaft wie das Licht des Mondes hinter einer Wolke. Ihr burmesischer Fahrer trat auf die Veranda, begrüßte das Mädchen und trat an den Tisch.
„Entschuldigen Sie, Miss Sandler. Da ist ein Amerikaner, der Sie gerne sprechen möchte.“
„Nicht jetzt“, sagte Ruud, ihre Hand ergreifend. „Wo ich gerade das Gefühl habe, dass uns ein außerordentlich reizvoller Abend

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