Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
Blutstropfen von den Fängen des Dämons tropften dunkelrot auf drei darunter gewischte Worte und rannen an den Buchstaben entlang. Dem Zeichner, vermutlich Conley selbst, ging es nicht um die reine Darstellung. Dieses makabre Bild war getränkt mit nackter Angst. Leonard las: Der da kommt , in Blut getaucht.
Schlagartig fiel die Dunkelheit in das Zimmer. Die Birne der Lampe knackte, als sie erlosch. Die Klimaanlage erstarb mit dem Scheppern einer umkippenden Metall-Leiter. Stille sank herunter. Instinktiv duckte Leonard sich zu Boden. Hinter der Tür, die zu einem Balkon hinausführte, drohte die Nacht. Einer der notorischen Stromausfälle. Den Schatten sah er nur, weil er sich aus seiner Perspektive gegen den eine Nuance helleren Nachthimmel abzeichnete. Lautlos robbte er Richtung Bett. Den Revolver bewahrte er unter dem Kopfkissen. Jemand auf dem Balkon versuchte, die Tür zu öffnen. Blind tastete er nach der Waffe, stieß dagegen. Sie glitt durch den Metallrahmen am Kopfende des Bettes und knallte auf den Holzboden. Mit der Hand suchte er den Boden ab, ertastete nur seinen Schuh. Durch den Spalt der Zimmertür fiel ein flackerndes Licht herein. Jemand klopfte.
„Mister Ryland?“
Ellens Stimme. Der Schatten auf dem Balkon sackte ins Dunkel und verschwand. Im gleichen Moment summte wieder Strom durch die Leitungen. Mit einem kurzen Ting , als stoße man zwei Sektgläser aneinander, erglühte die müde Tischlampe. Die Klimaanlage blieb stumm. Seine Nerven beruhigend gab er für Sekunden noch eine lächerliche Figur ab. Ausgestreckt auf dem Fußboden, eine Hand unter dem Bett. Das Klopfen wiederholte sich.
„Mister Ryland. Kann ich Sie kurz sprechen?“
Leonard sprang auf, sah auf den Balkon. Niemand. Wer immer einzudringen versucht hatte, musste ein verdammt guter Kletterer sein. Die Balkone der einzelnen Zimmer lagen einen guten Meter auseinander. Nach oben oder unten zu steigen erforderte noch mehr Geschick. Dann öffnete er die Zimmertür. Ellens sorgenvolles Gesicht verlieh ihr einen sonderbaren Reiz.
„Ich hoffe, die dumme Idee mit dem Wahrsager hat Sie nicht allzu sehr erschreckt.“
„Vergessen Sie´s. Mir ist nur ein wenig schlecht geworden. Das verdammte Klima. Bin erst seit kurzem in den Tropen.“
Ihre Besorgnis wich und im nächsten Moment stand sie auf der Türschwelle. Und damit, da sie sich erst weniger als zwei Stunden kannten, eine Idee zu dicht bei ihm. Der Hauch ihres Parfums vermittelte ihm den Eindruck einer Sommerwiese.
„Es gibt gute Neuigkeiten“, sagte sie fröhlich.
Als er einen Schritt zur Seite setzte, nahm sie es als Einladung und wehte leichtfüßig an ihm vorbei in das Zimmer.
„Ich kann Sie zum Mitglied unserer kleinen Expedition erklären. Sie bekommen eine Sondererlaubnis. Und Sie fahren mit uns. Ich weiß ja nicht, wo genau Sie hinwollen in den Norden. Unser nächstes Ziel ist Bagan. Das ist ein gutes Stück in Ihre Richtung.“
Weit mehr, als er sich erträumen durfte.
„Und das ist so einfach möglich?“
„Nein. Natürlich nicht.“ In ihrer Stimme schwang kindlicher Übermut. „Man muss jemanden schmieren. Und man muss den Richtigen schmieren. Sonst ist das Ganze für die Katz. Kaih hat in dieser Beziehung schon einiges für uns vollbracht. Er ist schon unterwegs.“
„Wie kann ich Ihnen danken, Miss Sandler?“
„Ganz einfach. Indem Sie mir 50 US-Dollar geben für die Bestechung und aufhören, mich Miss Sandler zu nennen.“
Sie trat auf ihn zu.
„Ellen.“
„Martin.“
Er lächelte sie an, um den Stich, den ihm diese Lüge versetzte, zu kaschieren. Ihr, die ihm gerade aus seiner größten Klemme geholfen hatte, mit einem falschen Namen zu begegnen, kam ihm schäbig vor. Er löste sich von ihr und griff zu seiner Brieftasche. Sie wollte abwiegeln.
„Na, das können wir auch später ... Herrgott!“
Die Lippen noch von dem erschreckten Ausruf geöffnet, starrte sie auf den gezeichneten Menschenfresserdämon, der den Stapel mit Conleys Aufzeichnungen bedeckte.
„ Ra´sa , der Unabwendbare“, murmelte sie.
„Du weißt, was es darstellt?“
„Wenn ich schon in Tempeln herumkrauche, sollte ich auch wissen, was darin abgebildet ist.“ Ihr kurzer Schrecken verflog.
„Ich hab bloß noch nie so eine lebhafte Abbildung gesehen. Als hätte das Ding da Modell gestanden.“
„Ein Hobby von mir“, sagte er lax und drehte das Blatt um. „Ich sammele sowas. Für mein ganz persönliches Schreckenskabinett.“
Sie lehnte sich an den Tisch
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