Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
eines Lachens. Von einem Schlachter, der das Lachen nicht gewohnt war.
„In Kuching hattest du noch die, die dich elenden Bastard gezeugt haben“, höhnte der Chinese dann. „Willst du wissen, wie sie gestorben sind?“
Mühsam bremste Leonard den aufwallenden Zorn. Ein Schmerz mischte sich darunter. Die Gewissheit über den Tod seiner Eltern. Die gnadenlose Wahrheit kam ausgerechnet über die Lippen ihres Mörders. Lo Hans Messer funkelte im einsickernden Licht der Verandabeleuchtung.
„Wenn ich mit dir fertig bin, klebt an dieser Klinge das Blut deiner ganzen Sippe.“
An der Wand ertastete Leonard den dürren Stiel eines aus Bambus gefertigten Besens, wenig geeignet zur Selbstverteidigung. Vor ihm stand ein Profikiller und er trug sicher mehr als die eine Waffe bei sich.
„Warum?“, fragte er. „Was ist diesem Drecksack Chan Khuo so wichtig, dass er Dutzende dafür töten lässt?“
Ein Laut der Verwunderung, dann wieder das Zischen.
„Du hast eine Menge herausgefunden. Frag dich, was du damit anfangen wirst, ein paar Fuß unter der Erde.“
Mit federndem Schritt näherte sich der Chinese. Damit schob er sich zwischen sein Opfer und das Bett, als ahne er, dass sich dort Leonards einzige Rettung verbarg. Seine Zigarette fiel zu Boden und er hob den Arm mit der Klinge an. Aber mit dem Wortwechsel hatte einen Fehler begangen. Sein Opfer war auf den Angriff vorbereitet. Noch ehe er vorstieß, griff Leonard mit einer Hand den Bambusstiel und mit der anderen das untere Ende des Fenstervorhangs. Im Augenwinkel huschte hinter dem erleuchteten Fenster von Ellens Bungalow ihre Silhouette vorbei. Wenn sie ihm mit ihrem Erscheinen einen Vorteil verschaffen wollte, würde sie sich beeilen müssen, dachte er noch.
Es gelang Ellen nicht, Nini zu beruhigen. Immer noch krümmte sich das Mädchen am Boden, die Lider zusammengepresst. Ihre Lippen bewegten sich rasch, stumme Silben formend. Ellen gab auf, erhob sich und kleidete sich an. Sie fragte sich, ob sie Nini in dieser Verfassung allein lassen konnte. Doch die Sehnsucht nach der Berührung des Mannes, der auf so eigenartige Weise in ihr Leben getreten war, überwog.
„Wenn dich das beruhigt, dann schließ hinter mir ab.“
Entsetzt öffnete Nini die Augen.
„Bleib. Hier sind wir sicher.“
„Nini! Es gibt keine blutsaugenden Untoten“, seufzte Ellen. „Das sind Gruselgeschichten für Kinder.“
Wieder vernahm sie undefinierbare Geräusche und glaubte, drüben im Nachbarbungalow die Bewegung eines Schattens zu sehen. Was tat der da im Dunkeln? Ein mulmiges Gefühl stieg auf. Martin befand sich in Gefahr. Mit zwei schnellen Schritten gelangte sie zur Tür, packte den Knopf, stieß auf Widerstand. Entgeistert drehte sie sich zu Nini um.
„Jetzt ist Schluss mit dem Unfug. Gib mir den Schlüssel!“
Wild schüttelte das Mädchen den Kopf. „Du darfst nicht.“
„Du gibst mir jetzt auf der Stelle den ...“
Bevor Ellen bei ihr war, sprang Nini auf, rannte ins Badezimmer und zog die Tür zu. Innen rastete der hölzerne Sperr-Riegel ein.
„Das kann doch nicht wahr sein!“
Der Chinese kam näher, seelenruhig, sicher, ein in die Enge getriebenes, verwundetes Tier vor sich zu haben, das mit seinem Schicksal abgeschlossen hatte. Seine Linke schoss vor, um die Gurgel zu packen. Bis zum letzten Moment wartete Leonard, dann wich er seitlich aus. Der scharfe Hieb mit dem Besenstiel traf Lo Hans noch unverheilte Kopfwunde. Mit zwei schnellen Kreisbewegungen wickelte Leonard den Vorhangstoff um die Hand, die das Messer führte und riss Lo Hans Arm zur Seite. Der Angreifer wankte und knallte mit der Schulter gegen die Wand. Ein Bilderrahmen fiel herunter, klirrend zerbrach sein Glas am Boden.
Leonard ließ den zersplitterten Bambusstiel fallen und umschloss mit beiden Händen das Handgelenk des Chinesen, um ihn zu entwaffnen. Er öffnete den Mund zu einem Ruf. Aber Lo Hans Gegenangriff kam ohne Verzögerung. Der Schlag traf ihn an der Kehle, die Stimme versagte. Seinen Gegner umklammert sackte er zu Boden, drückte sich an den Körper des Chinesen, damit er keinen Raum bekam, mit der freien Hand einen heftigen Schlag zu setzen. Stattdessen stemmte Lo Han seinen Unterarm in Leonards Kehle und schnürte ihm die Luft ab.
„Nini! Mach die verdammte Tür auf!“, klang Ellens Stimme herüber.
Ihm blieb keine Wahl. Er musste das Handgelenk des Chinesen loslassen, einen Stoß mit dem Messer in Kauf nehmen. Als er die Hände vorzog, spürte er die scharfe Klinge
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