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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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Fenster um. Sie konnte ihn jedoch unmöglich sehen, an die Wand neben dem Fenster gelehnt, umgeben von der Dunkelheit des Raumes. Ihre Reaktion verwunderte Leonard.
Sie hatte Angst!
Und diese Angst huschte über seine Hütte, dann in die Gasse hinein. Mit einem Ruck wandte sie den Kopf in die andere Richtung, lauschte in das Dunkel hinter der Bungalowreihe, wo unsichtbar, lautlos, der Fluss dahinzog. Plötzlich griff sie ihr Handtuch, hastete die Gasse entlang zur Vorderseite und verschwand von Furcht durchschüttelt in der Hütte.
Leonard rätselte noch einen Moment über ihr Verhalten, als er es hörte. Durch die Schwüle der anbrechenden Nacht, sich langsam über das Zirpen der Grillen erhebend, kroch ein Wispern heran. Hinter ihm, nah, von jenseits der geöffneten Vordertür. Zögernd drehte er sich um. Das Wispern drang in ihn ein, krabbelte kalt unter die Haut. Sein Brustkorb krampfte sich zusammen.
`Ich bin nicht wach, raste es in ihm. Ich träume.´
In der Türfüllung, in Augenhöhe, schwebte, dunkler noch als der Nachthimmel dahinter, die in Eisen gegossene Flamme eines schwarzen Feuers. ER war es! Von der Hand eines Unsichtbaren gehalten flüsterte es mit längst vergessenen Worten, das Auge der Dunkelheit. Auf der Klinge schimmerten Pünktchen und ein Mäanderband, das schwache Licht der Sterne auf übernatürliche Weise klar und hell reflektierend. Es tauchte die als Griff dienende Dämonenfratze in einen diabolischen Schein. Unmöglich! Eine Nachwirkung des Giftes. Oder von Namdrings Heilmitteln. Leonard schloss die Augen. Metallisches Singen erfüllte den Raum.
Wach auf!, dröhnte es in seinem Innern. Mit einem Stöhnen öffnete er die Augen wieder. Das schreckliche Bild der schwebenden Klinge hatte sich gewandelt. Nun füllte den Türrahmen die Gestalt eines Mannes aus. Mit einem Ratschen flammte ein Licht auf. Die schlanke Hand führte das Streichholz zum Gesicht. Was Leonard sah, als der Mann sich eine Zigarette anzündete, spannte sämtliche Muskeln. Dem Mann fehlte ein Ohr! Und sein Gesicht wurde von einer grauenhaften Narbe in zwei Hälften geteilt.
    In das Klatschen des Wassers auf den nackten Fliesen mischte sich ein Laut. Ellen meinte, ein leises Singen gehört zu haben, von gegenüber, aus Leonards Bungalow. Komisch, dass es überhaupt herüberdrang, dachte sie. Sie stellte das Wasser ab und lauschte wieder. Abgesehen von dem Gesäge der Grillen schwieg die Nacht. Ein Tuch um die Hüften geschlungen öffnete sie die Schiebetür zum Zimmer. Vor dem Fußende des Bettes kauerte Nini, nass, mit triefenden Haaren, die Arme um die angezogenen Knie geschlungen, den Kopf gesenkt.
„Was tust du denn da?“
„Geh nicht hinaus. Das Böse ist dort.“
Ellen wollte auflachen, doch es blieb stecken. Nini lebte in ständiger Angst vor der schleichenden Dunkelheit. Erzählte von umherfliegenden Köpfen mit rot glühenden Augen und herunterhängenden Eingeweiden. Von blassen, weiß gewandeten Frauen, die unschuldige Mädchen entführten, gefräßigen Geistern, die in einsamen Palmenhainen lauerten. An jeder düsteren Ecke, in abgestorbenen Bäumen, hinter dunklen Felsen lauerten sie. Die hungernden, nach dem Leben trachtenden Seelen tot geborener Kinder oder Ermordeter. Sie lebte umgeben von einem komplexen Netz übernatürlicher Phänomene. Nur sie selbst mochte wissen, welche Orte zu welcher Zeit gefahrlos betreten werden konnten oder den sicheren Tod bargen. Wähnte sie eine dunkle Macht in der Nähe, versank sie minutenlang in das Murmeln obskurer Beschwörungsformeln. Derart von nackter Angst gezeichnet hatte Ellen sie aber noch nie zuvor erlebt. Sie setzte sich neben das Mädchen und legte einen Arm um seine zitternden Schultern.
„Nini, Liebes. Da ist nichts. Du brauchst keine Angst zu haben.“
Sie erwartete eine Erklärung, da Nini stets genau darüber berichtete, welchen Dämon sie in der Nähe vermutete. Aber sie blieb auf eine verstörende Weise stumm.
„Geh nicht hinaus“, sagte sie nur.
    „Hier is t dein Weg zu Ende, Engländer.“
Den Worten entströmte die Kälte einer Grabkammer. Leonard hatte das kurze Aufblitzen eines schlanken Messers gesehen. Wie in seinem Ranguner Hotelzimmer lag der Revolver unter dem Kopfkissen, drei Meter von ihm entfernt. Ellen würde gleich auftauchen. Vielleicht konnte er den Moment nutzen. Deshalb spielte er auf Zeit.
„In Kuching hattest du noch beide Ohren“, sagte er in das Dunkel, hörte als Antwort nur ein Zischen. Der hilflose Versuch

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