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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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tippte auf die geprägten Buchstaben.
„Hier. Siehst du? Leonard Finney. Das ist meine. Hat er mir geklaut“, brummte er. „Klauen anständige Mönche?“
Erst danach fiel die gesamte Anspannung von ihm ab. Alles, was sich aufgestaut hatte, als sie den nur vom Mond beschienenen Dschungelpfad heraufgekrochen waren. Über Felsgrate, durch Wasserfälle und über eine bedenklich stöhnende Hängebrücke. Als sie in der ersten Hütte erfuhren, ein Mönch habe sich beim Dorfvorsteher einquartiert. Sie dem Alten in einem einstündigen, geflüsterten Palaver verständlich machten, ihre Ankunft müsse noch geheim bleiben. Und er sich endlich auf die Lauer legte. Im Wissen, der Mann, der durch die Tür treten würde, hatte Kavenay und den ihm körperlich weit überlegenen Randell ausgeschaltet.
„Ich brauch einen Moment.“
Sie setzten sich auf die Holztreppe der Hütte in das Morgenlicht. Dort servierte ihnen die Frau des Dorfvorstehers heißen Tee.
„Wir haben es bald geschafft“, sagte Ellen aufmunternd.
Chan Khuos Auftragskiller war tot, Kavenay und Randell aus dem Weg geräumt und ihr letzter, vielleicht gefährlichster Gegner dämmerte gefesselt oben in der Kammer.
„Ich hoffe, das waren sie dann alle“, sagte Leonard mit leiser Ironie.
Eine andere Hoffnung wurde ihnen gleich darauf genommen. Durch die Worte eines Mannes, der sich als Kyiun Thet vorstellte. Im Gegensatz zu den übrigen trug er keine traditionelle Chin-Kleidung, sondern einen einfachen Baumwollanzug. Herr Kyiun Thet praktizierte als Arzt in der Umgebung und sprach Englisch.
„Der Friedhof ist schon vor Jahren durch einen Erdrutsch zerstört worden.“
Nur die Berührung von Ellens tröstender Hand verhinderte, dass Leonard die Fassung verlor. So antwortete er mit fester Stimme, als sie der Doktor nach dem Grund ihres Aufenthaltes an diesem Ende der Welt fragte. Vage deutete Leonard eine wertvolle Hinterlassenschaft im Grab des Offiziers an. Wertvoll genug, dass die Jäger solcher Schätze in die entlegensten Winkel vordrangen und sich dabei gegenseitig die Köpfe einschlugen. Die Toten, welche die Suche bisher gefordert hatte, verschwieg er.
„Vielleicht“, sagte der Doktor bedächtig, nachdem Leonard seinen Bericht beendet hatte, „vielleicht kann Ihnen mein Vater von dieser alten Zeit erzählen.“
Er lud Ellen und Leonard ein, ihn zum Haus seines Vaters zu begleiten. Leonard befürchtete, einen senilen Alten vorzufinden, kaum noch eines klaren Gedankens fähig. Doch der alte U Kyiun begrüßte sie aufrecht, mit wachen Augen, schimmernd wie Manschettenknöpfe. Seine Gliedmaßen, dünn wie Ess-Stäbchen, erweckten den Eindruck, sie brächen bei der geringsten Berührung. Trotzdem schüttelte der Alte ihnen mit erstaunlich kräftigem Druck die Hände.
„Über 90 Jahre alt und bei bester Gesundheit“, sagte sein Sohn und gestand: „Hauptsächlich, weil er jede meiner ärztlichen Anweisungen ignoriert.“
Im Halbkreis setzten sie sich auf einfache Reisstrohmatten.
„Captain Blackford Conley, sagen Sie?“
„Ja, Conley. Es gibt Unterlagen in Militärarchiven, die besagen, Conley hätte einen Rebellen verfolgt. Bo Sai. Und hier, in Than Mon, ist er dabei in einen Hinterhalt geraten und getötet worden.“
Heftig schüttelte der alte U Kyiun den Kopf und wehrte mit einer Hand ab.
„Er sagt, Bo Sai hätte tatsächlich ein Versteck in den Bergen gehabt, ein oder zwei Tagesmärsche nordwestlich von hier. Aber zum Zeitpunkt des Vorfalls lag er bereits unter der Erde. Getötet in einem Gefecht bei Pagan. Oder Bagan, wie es heute heißt.“
„Woher weiß er das so genau?“
„Von seinem Vater“, antwortete der Arzt. „Er hat ihm später alles erzählt. Im Jahr 1888 war sein Vater, also mein Großvater, ein junger Kerl, vielleicht fünfzehn oder sechzehn. Er war dabei, als man die Leichen der Engländer fand.“
Leonard hielt den Atem an. Ihn faszinierte, neben einem Mann zu sitzen, der noch mit einem Zeitzeugen gesprochen hatte. Damit schlug U Kyiun eine Brücke in jene Vergangenheit, die bruchstückhaft aus Conleys Unterlagen durchschien.
„Es waren sieben oder acht Männer.“
Wieder den Worten seines Vaters lauschend brach Kyiun Thet kurz ab und setzte dann fort.
„Acht, sagt er. Acht Männer. Es war ein Priester darunter und ein junger Burmese. Und ein weiterer Weißer mit einem hölzernen Seelenfänger.“
Deutlich zeigte sich die Frage in Ellen und Leonards Gesichtern.
„Ein Fotograf. Die Leute hier wussten

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