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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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Moment.“
Die Sonne überschritt schon den Zenit, als sie das Örtchen erreichten. Es thronte an einem Berghang und hätte sie, wären sie als Touristen gekommen, mit einer atemberaubenden Aussicht begeistert. Hinein in ein weites, sonnendurchflutetes Tal und auf Berge, überwuchert mit Hochlanddschungel. In einem magischen Farbspiel aus Hunderten von Grüntönen kletterte er hinauf bis auf die Gipfel.
Than Mon war keines der typischen Chin-Dörfer, die ausnahmslos aus Stelzenhütten mit Palmblattdächern bestanden. Seine Peripherie zierten Steinhäuser aus der Kolonialzeit, ehemalige Sommersitze der Briten. Im Ortskern hingegen standen ungewöhnlich viele Gebäude, die kaum älter als dreißig Jahre sein konnten. Am unteren Hang, Richtung Hakha, quetschte sich eine Ansammlung ärmlicher Holzhäuschen, wenig mehr als die windigen Hütten der Reisbauern in der Ebene. Die Mitte des Örtchens dominierte eine aus hellen Ziegeln erbaute Kirche, im schmucklosen, protestantischen Stil. Dort trafen sie den Vikar, einen Einheimischen. Sein bamar klang brüchig. Ellen, versiert darin und sogar Nini, deren Muttersprache es war, bereitete die Verständigung daher Schwierigkeiten. Gemeinsam mussten sie mehrmals nachhaken, bis die alarmierende Nachricht in aller Deutlichkeit durchdrang.
Heute Morgen in der Frühe seien zwei Amerikaner in einem Helikopter heraufgekommen, der zu einem Militärposten in Gangaw gehörte.
„Heute Morgen“, stöhnte Leonard. „Sie waren uns bloß noch wenige Stunden voraus.“
Unwirsch bat Ellen um Ruhe und widmete sich wieder der fummeligen Übersetzungsarbeit. Die Amerikaner hätten nach dem Friedhof gefragt. Sie sagten dem Piloten, er solle warten, da sie nicht lange zu bleiben beabsichtigten. Als sie sich um die Mittagsstunde noch nicht zeigten, sah man nach ihnen. Man fand sie in der Nähe des Friedhofs, versteckt im Gebüsch. Den einen mit durchstoßener Kehle, der andere schwer verwundet. Der Helikopterpilot verweigerte jede Auskunft über die Identität der beiden und sprach von einer internen Regierungsangelegenheit. Was nach Meinung des Vikars nur ein vorgeschobener Grund sein konnte. Ohne weiteres Wort verfrachtete der Pilot den Toten und den Verwundeten in den Hubschrauber und hob auf der Stelle ab. Niemand konnte sich den Vorfall erklären.
„Ich schon“, meinte Leonard. „Kavenay und sein Schläger haben ihren Meister gefunden.“
Es wunderte ihn nur, warum die beiden so lange brauchten, hierher zu gelangen. Die Identität des Attentäters stand allerdings außer Frage, die Hoffnung auf das kleinere Übel somit dahin.
„Arundhavi war auch hier.“
Der Vikar bestätigte, ein Mönch sei mit zwei Milizangehörigen heraufgekommen. Die beiden hätten Than Mon inzwischen wieder verlassen. Am frühen Morgen sei der Mönch ebenfalls zum Friedhof aufgebrochen. Seitdem hätte ihn niemand mehr gesehen.
Leonard drängte darauf, den Friedhof zu untersuchen. Dort fanden sich keine Zeichen eines Kampfes. Nur an einer Stelle auf dem älteren Teil der Grabanlage hatte jemand den sandigen Untergrund verwischt. Mit der Fußspitze bohrte Leonard darin herum. Unter der obersten Schicht verklebten dunkelrote, vertrocknete Klümpchen den Sand, Reste von Blut. Dann lief Leonard die Reihen der alten Gräber ab. Zur Sicherheit untersuchte Ellen auch den jüngeren Abschnitt, fand aber erwartungsgemäß nur entsprechende Grabstätten vor.
„Hier liegt er auch nicht!“, rief Leonard konsterniert. Das älteste Grab stammte aus dem Jahr 1897 und nirgendwo Conleys Name. Sie gaben auf und setzten sich im Schatten der Kirche auf die Schemel einer Garküche.
„Es ist kein Irrtum möglich“, sagte Leonard. „Es hieß ganz klar Than Mon in der Nachricht, die ich in der Nationalbibliothek gefunden habe. Die Lage des Ortes hat mir ein Geophysiker gezeigt. Ein taxifahrender Geophysiker zwar, aber immerhin.“
„Aber es muss falsch sein. Keines der Gräber war angerührt. Also ist auch Arundhavi leer ausgegangen.“
Die Tatsache trug nur wenig zu Leonards Beruhigung bei.
„Wo ist er dann hin?“
Ein junger Bursche trat an ihren Tisch und servierte Hühnercurry, Linsen und Weizenbrotfladen. Während sie aßen, füllte sich der Platz vor der Garküche mit Männern, Frauen und Kindern. Lautlos nahmen sie Aufstellung, hielten aber Abstand zu ihnen. Als der Junge zum zweiten Mal kam, um die Getränke zu bringen, musste er sich schon durch eine dichte Traube Neugieriger zwängen.
„Wir erregen zu viel

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