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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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ist einigermaßen exakt beschrieben.“
Sen entschuldigte sich. Selbst ihn verwirrten die Inschriften, sodass er häufiger abwich.
„Der Vollmond ist von zentraler Bedeutung. Es sind drei Stellen innerhalb der Pagode beschrieben, die nacheinander vom Licht des wandernden Mondes beleuchtet werden. Es heißt, eine, die zeigt, eine die spricht und die letzte, die öffnet .“
„Es klingt, als seien Schächte gemeint. Durch die das Licht auf bestimmte Gegenstände trifft.“
„Auf diese Idee bin ich auch verfallen“, sagte Sen. „Das Innere der Pagode ist als gemauertes Labyrinth angelegt. Darin verbirgt sich die Kammer, in der die Zeremonie abgehalten wird. Mit dem einen, der zeigt , ist eine Dämon-Figur gemeint. Es ist ein runder Raum mit Spitzbögen beschrieben, in dem es elf Tore gibt. Die Figur weist auf jenes, das zur Kammer führt. Die zweite Stelle zeigt, wo die rituellen Formeln verborgen sind. Und die dritte kann nur der Kultplatz selbst sein. Dort, wo die Formeln ausgesprochen werden müssen. Wenn der Mond exakt im Zenit steht. Die Ausführung des Rituals ist nur zu diesem Zeitpunkt möglich.“
Auch wenn sie nicht klären konnten, was dann geschah, blieb für Leonard noch eine weitere Frage: warum?
„Ob nun alle recht mit ihren Vermutungen hatten oder sich irrten. Alle, die danach suchten. Dafür getötet haben oder selbst getötet wurden. Es gibt einen Grund, warum es geheim gehalten wurde.“
„Das, Mister Finney, ist der Punkt, der mir die größte Sorge bereitet“, sagte Sen und stieß einen Seufzer aus.
„Wie auch Sie selbst erfahren haben, bedienten sich die Hüter des Kultes einer Umkehrung der Symbolik. Insofern bedeutet Schwarzer Buddha oder Auge der Dunkelheit vielleicht das Gegenteil. Licht. Oder auch Erleuchtung. Allerdings lassen sich die Inschriften auch anders interpretieren. Alles, was dort geschrieben steht, ist wörtlich gemeint.“
„Es ist tatsächlich so was wie ein Satanskult?“
„Schwarze Magie. Genau das meine ich. An einer Stelle ist von einem Blutopfer die Rede. Das dürfte es im Zusammenhang mit dem Buddha nicht geben. Es widerspricht jeder Form von Erleuchtung. Und da ist noch ein Punkt.“
Gespannt wartete Leonard, dass Sen fortfuhr. Stattdessen versank der Chinese in eine volle Minute des Schweigens, in der die Sorge sich in sein Gesicht schrieb.
„Ich muss mir erst Klarheit darüber verschaffen. Das ist der Grund, warum eine Rückkehr nach Kuching unumgänglich ist.“
So kurz vor der Abreise ins Ungewisse hätte Leonard gern auf die Last verzichtet, eine weitere düstere Ahnung mit auf den Weg nehmen zu müssen.

Kapitel 59
    Manao, der junge Dayak, zeigt eine unpassende Munterkeit. Ständig reißt er Witzchen. Ich weiß, er tut das nur, um von den Gefahren abzulenken, die auf uns warten. Wären schon am ersten Tag beinahe gekentert. Baumstämme, die den Fluss hinunter gespült werden, dicht unter der Oberfläche, wie lauernde Krokodile. Man sieht sie erst im letzten Moment. Konnten gerade noch ausweichen. Später haben wir gesehen, was geschieht, wenn einen so ein Ding rammt. Auf einer Sandbank lagen die Reste eines zertrümmerten Bootes. Manao sagte, zwei der Männer seien bei dem Zusammenstoß getötet worden. Erleichterung, als wir endlich ans Ufer stiegen. Sie währte nicht lange. Der anstrengende Marsch macht die erbarmungslose Hitze und Schwüle schier unerträglich. Dies ist nicht der trockene Hochlanddschungel wie in Burma. Uns verschlingt ein schwärender, stickiger, malariaverseuchter Sumpf. Ein nie endendes Wuchern und Verfaulen.
L.F.
    Nini tauschte ihre farbenfrohen Wickelröcke wieder gegen praktischere Kleidung, eine lange Hose und ein luftiges Hemd. Obwohl sie den leichtesten Rucksack trug, war auch sie, wie die Männer, schon nach kurzer Zeit vollständig durchgeschwitzt. Zum Schutz vor Blutegeln und Insekten stopfte Leonard sich die Hose in die Stiefel und krempelte die Ärmel seines Hemdes herunter. Nini und Manao rieben sich stattdessen die freien Körperstellen mit einer beißenden, nikotinhaltigen Paste ein, die das Getier fernhalten sollte. Beide Methoden erwiesen sich als unzureichend. Bei jeder Rast klaubten sie Gewürm von Schenkeln und Unterarmen. Kaum zehn Meilen drangen sie in die brütende Hölle vor, als sie auf die erste Leiche stießen.
„Verdammt!“, würgte Leonard hervor. „Was ist das?“
Innerhalb kurzer Zeit zählten sie sechs Körper in unterschiedlichen Stadien der Verwesung. Manche nur noch Knochen, an

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