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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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in einen straffen BH gezwängt. Einzig Sinn in dieser Gegend ergaben ihre schweren Wanderstiefel und der Tourenrucksack. Unschlüssig blieb sie an der Treppe stehen und betrachtete Leonard wie einen Ex-Liebhaber. Unsicher, ob die Begegnung peinlich oder locker verlaufen würde.
„Nemsky. Majorie Nemsky“, stellte sie sich vor.
Wie gut kannte sie ihn? Waren sie ein Paar gewesen, Studienkollegen, eine Zufallsbekanntschaft? In ihrem Gesicht zeigte sich kein Argwohn.
„Martin Ryland“, sagte er mit fester Stimme. Ihm blieb nur übrig, ihr den Gesprächsanfang zu überlassen und lud sie mit einer Geste ein, am Tisch Platz zu nehmen. Noch der Gefangene von Leonards Geheimagenten-Regeln tat Sen, als sitze er nur zufällig dabei. Den Eindruck verstärkte er noch, indem er das Gesicht abwandte und sich betont arrogant gab.
„Wow“, machte Majorie Nemsky. „Verrückt oder? Ich mein, ist echt ´ne Ewigkeit her.“
„Sorry“, entgegnete Leonard. „Ist eine Menge passiert inzwischen.“
„Klar. Verstehe. Lexington Elementary. Sagt dir das noch was?“
Leonard atmete hörbar aus. Als Kinder waren sie auf die gleiche Schule gegangen! Selbst wenn Ryland damals dick und blond gewesen wäre, würde sie ihn nicht wiedererkennen. Aber diese Miss Nemksy besaß ein außerordentliches Namensgedächtnis.
„Das ist wirklich eine Ewigkeit her. Und das ist dir sofort eingefallen, als du meinen Namen gehört hast? Wirklich erstaunlich.“
„Na ja, nur weil ich damals verknallt in dich war.“
Sie lachte zwanghaft, um die Peinlichkeit dieses späten Geständnisses zu überspielen. „So ´ne Klein-Mädchen-Schwärmerei natürlich. Haste bestimmt nicht geschnallt. Hattest immer was anderes im Kopf. Jungs-Sachen eben.“
„Schön blöd von mir.“
Die schlüpfrige Bemerkung schwebte eine Weile in der Luft, rief aber keine erkennbare Wirkung hervor.
„Irrer Zufall, sich so wieder zu begegnen“, lenkte sie ab. „Was machst du hier? Urlaub oder so?“
„Wir, meine Frau und ich, wir wollen zu einem Dayak-Dorf. Ursprüngliche Wildnis und so was.“
„Cool. Ich steh auf solche Sachen. Mach hier Dschungeltrekking. Aber nicht da, wo alle langtrampeln.“
Majorie fummelte den Verschluss ihres Rucksacks auf, holte ein Blatt heraus und faltete es auseinander. Es stellte sich als die erste brauchbare Geländekarte heraus, die Leonard zu Gesicht bekam.
„Wo iss´n das Dorf?“
Leonards Augen streiften über die Karte, den Fluss hinunter, dann südwärts. Schließlich entdeckte er die Markierung des Dorfes.
„Weiß nicht genau.“
Nicht nur das bisher Geschehene zwang ihn zu der Lüge. Es kam noch die Befürchtung hinzu, dieses Dschungel-trekkende Busenwunder wolle sich bei ihnen unterhaken. „Wir haben einen Führer. Er wird den Weg kennen.“
Ungefragt beugte sich Bang Tua über den Tisch und patschte mit einem Finger auf die Markierung.
„Hier, Mister Ryland. Das ist das Dorf.“
„Wow. Das ist aber echt ulu. “
Weit abgelegen , wie Leonard auf Nachfrage erfuhr .
„Miss Nemsky hat recht“, mischte sich Bang Tua wieder ein. „Es ist sogar extrem ulu .“
In der Nähe der Markierung deutete er auf einen anderen Punkt.
„Aber hier, vielleicht fünfzehn Meilen von der Siedlung entfernt, ist ein Wildhütercamp. Wenn Sie irgendwelche Schwierigkeiten haben, Mister Ryland, gehen Sie dorthin. In dieser Jahreszeit ist es ständig besetzt.“
Zu Leonards Beruhigung verzichtete Miss Nemsky darauf, ihnen ihre Gesellschaft aufzudrängen.
„Wird bestimmt abgefahren. Wünsch euch viel Spaß dabei.“
Die zweifelhafte Gastfreundschaft der wilden Eingeborenen werde ihnen keinen großen Spaß bescheren, nahm Leonard an. Das Ziel ihrer Reise, das sich noch weiter davon entfernt in den Bergen verbarg, hielt mit tödlicher Sicherheit das Gegenteil für sie bereit. Mit einer kräftigen Umarmung verabschiedete sich Miss Nemsky.
Erst, als sie außer Sichtweite geriet und Bang Tua im Innern seines Hauses verschwand, meldete sich Sen wieder zu Wort. Und bewies einen bislang verborgenen Hang zur Ironie.
„Eine reizvolle Person. Schade, dass Sie verheiratet sind, Mister Finney.“
Den Schwindel mit der angeblichen Ehe hielten Leonard und Nini aufrecht. Es ermöglichte ihr das Reisen und verhinderte lästiges Nachfragen der Behörden. Beide spürten eine tiefe, seelische Verbundenheit, blieben aber auf respektvoller Distanz zueinander. Es war nun Leonard, der auf dem Läufer vor dem Bett schlief. Wie ein Wachhund.
Er

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