Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
Vom Netzwerk:
dieses stand hervor, wie aus dem Stamm herausgewachsen. Als hätte es mit aller Macht versucht, aus dem Innern zu drängen.
Derjenige, der hier begraben lag, sollte nie wieder an das Licht gelangen. Man gestattete ihm nicht, sich wieder mit der Natur zu vereinigen, in ihr aufzugehen. Deshalb tötete man den Baum. Und stopfte einen Lebenden hinein. Dies war Blackford Conleys Grab. Leonards Gefühl hätte schon zur Gewissheit gereicht. Das Zeichen unterhalb des hölzernen Gesichts setzte nur noch den Punkt dahinter.
„Chu-po“, hauchte er mit fiebriger Stimme. „Das Zeichen für die Eins.“
Soweit bist du also gekommen, dachte Leonard. Hast eine Spur des Blutes durch den Kontinent gezogen, immer mehr dem Wahnsinn verfallend. Um hier einen elenden Tod zu finden, statt der Reichtümer, die du dir erträumt hast.
All das Morden umsonst. Dort war nichts, außer tiefer Verzweiflung.
Behutsam versuchte Leonard zunächst, die Machete als Hebel nutzend, die Rinde vom Stamm zu lösen. Das verhärtete Holz widerstand. Die Unnachgiebigkeit des seelenlosen Baumstumpfes stachelte ihn an, kochte eine höllische Wut hoch. Immer heftiger schlug er darauf ein.
„Du hast mich hierher gelockt. Widerlicher Bastard. Jetzt gib mir, was du gestohlen hast.“
Erschrocken umklammerten sich Nini und Manao. Keuchend und schwitzend, Flüche auf den Lippen, traktierte Leonard das Holz mit dem Eisen. Bis die ersten Splitter herausbrachen, der Verschluss des Sarges Stück für Stück nachgab. Mit bloßen Händen griff er in den frei gehackten Spalt, zog und zerrte. Endlich löste sich die verwachsene Rinde mit einem Krachen ab. Ein kalter Hauch zischte aus dem dunklen Loch, als hätte Conley den letzten Atemzug aufgespart und würde ihn nun ächzend herausstoßen. Aufrecht stand das Skelett in der dunklen Ausschachtung. Seile, aus Blattfasern geflochten, hüllten die Knochen ein. Nur der Schädel lugte aus der Ummantelung. Eine sachte Berührung genügte und die Seile zerbröselten wie verbranntes Papier. Mit den dürren, braunen Knochen beider Hände hielt er ihn noch umklammert.
Leonard hielt inne. Nach all den Strapazen, all dem Grauen und all dem Tod, der ihm bis hierher gefolgt war, zögerte er, ihn zu berühren. Kalt schimmerte die gewellte Klinge, auf dem Griff funkelte der kristallene Edelstein in der Düsternis des Grabes. Eine Träne in der Dunkelheit.
Seine beiden Begleiter hörten Leonard vor sich hinmurmeln, als spräche er mit jemandem. Schließlich griff er in das dunkle Loch, packte den Griff. Noch nach hundert Jahren in der Stille seiner Gruft wollte Conley ihn nicht hergeben. Leonard musste soviel Kraft aufwenden, dass eine der Knochenhände brach. Als er den Dolch in das Licht holte, vermeinte er, ihn aufatmen zu hören. Das schwarze Feuer floss in seine Glieder. Mit irren Augen hielt er den Kris in die Höhe.
„Hier ist er.“
Der Triumph blendete ihn, drückte die Verwirrung über das merkwürdige Bild in den Hintergrund. Reglos lagen Nini und Manao am Boden! Ihm blieb keine Zeit, die Ursache zu ergründen. Der Pfeil traf ihn unterhalb der Halsschlagader.

Kapitel 61
    In der Sprache der Danah Oth bedeutet das Wort für Dschungel -Alles frisst alles-. Auf dem Weg durch diese Hölle begreife ich, warum. Es ist die Wahrheit. Alles frisst alles. Wenn man nur eine Stunde stillsteht, ist man schon umfangen von Blättern, Ranken, Schlingen. Sie dringen in die Körperöffnungen ein, um dich von innen aufzufressen. Bis man selbst zu Holz wird, durchsichtiges Blut in den Adern pulsiert, die Lunge etwas anderes atmet als Sauerstoff, die Augen zu stumpfen Asthöhlen werden. Alles frisst alles. Nicht stehenbleiben. Immer fort. Hinaus aus diesem widerwärtigen, tödlichen Grün.
    L.F.
    Als Erstes drängte sich ihm der harzige Modergeruch auf, der die Atemwege zu verkleben drohte. Den Schrei wollten die Lippen nicht herauslassen. Die Mundhöhle verstopfte ein muffiger Lappen. Seine Hände fühlten kaltes Metall, aber er konnte sie nicht bewegen. Ebenso wenig wie seine Beine, den Rest des Körpers. Vor ihm brannten haarlose Augen in einem vernarbten Gesicht. Der Danah-Oth-Schamane. Er stand draußen .
Der Harzgeruch. Holz. Er steckte in einem ausgehöhlten Baum. Arme hoben das ausgeschnittene Rindenstück an. Das Licht, die Welt entschwand. Nur noch Kratzen, als die Rinde mit Harz verklebt wurde. Leise entfernten sich die Schritte, es blieb Ruhe und Dunkelheit. Bis ein leises Trippeln einsetzte. Füße. Tausende, Millionen

Weitere Kostenlose Bücher