Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
sie gewisse Absichten, was die Frau betraf und betrachteten ihn als Störenfried.
„Ich war auch in dem Dorf“, plapperte sie munter weiter. „Aber ihr wart schon weiter gezogen.“
„Ja. Ein Stück den Fluss hinunter in ein anderes Dorf“, log er.
Man bot ihm Getränke an, scheußlich warmes Bier und einen einheimischen Schnaps. Er entschied sich für letzteres und überlegte, wie er es am besten anstellen konnte. Der einfache Weg wäre, die Karte zu stehlen. Aber er konnte nicht lange auf eine Gelegenheit warten. Sobald Arundhavi und die anderen seine Abwesenheit bemerkten, würden sie hier nach ihm suchen. Er musste so rasch wie möglich wieder fort.
„Was iss´n das?“, fragte Miss Nemsky und griff nach dem verschnürten Blatt. Leonard legte es neben sich auf die Sitzbank, außer Reichweite. Die Geschwindigkeit, mit der er den eingewickelten Kris ihrem Zugriff entzog, widersprach seiner betont laxen Antwort.
„Ein Mitbringsel. Ein Geschenk.“
Er lenkte Majorie ab.
„Die Dayak haben uns von einem Berg erzählt. Soll wohl eine besonders beeindruckende Gegend sein. Wir konnten ihn aber nicht finden. Und da fiel mir ein, dass Sie eine brauchbare Karte besitzen.“
„Oh, ja. Natürlich. Kein Problem.“
Sie entnahm ihrem Rucksack die Karte und breitete sie auf dem Tisch aus.
„Wie heißt´n der Berg?“
Leonard bezweifelte, dass er irgendwo als -Der Unaussprechliche- verzeichnet wurde.
„Ist jetzt ein bisschen blöd. Aber die malaiischen Namen klingen mir alle gleich. Ich bring sie immer durcheinander. Vielleicht erkenne ich es, wenn ich es sehe.“
In den letzten beiden Nächten hatte er die Zeichen auf dem Kris und die Konstellation der Punkte auf der Reliefkopie eingehend studiert und sich deren Anordnung eingeprägt. Auf der Karte erkannte er sie auf Anhieb. Sie stach hervor, wie mit Leuchtfarbe aufgetragen.
„Aber das ist ja schon drüben, in Indonesien“, rief Miss Nemsky aus. „In Kalimantan.“
„Waren Sie schon dort?“, sprach Leonard die Wildhüter an.
Die drei grinsten verlegen. Ein klares Zeichen. Niemand durfte hinüber, aber wer achtete hier draußen schon auf Verbote. Da der Weg wieder durch das Land der Danah Oth führte, könnte Leonard Unterstützung gebrauchen, wenigstens für den längsten Teil des Marsches. Mit der Hand folgte er einem Flusslauf, bis er sich gabelte. Die beiden Arme umschlangen eine Bergkette. Genau in der Mitte erhoben sich drei Gipfel.
Der höchste der Drei.
„Hier!“
Die Aufregung spielte ihm einen Streich, denn er wollte das Wort nicht laut aussprechen.
„Es sind keine Namen drauf“, sagte Majorie verdutzt. „Wie kannst du dir da so sicher sein?“
Plötzlich knallte eine Fratze auf den Tisch. Ein elfenbeinerner Ziegenkopf.
„Er ist sich sicher, meine Liebe, weil er das hier hat!“
Oren Kavenay setzte sich neben Leonard auf die Bank und legte seine Hand auf das verschnürte Blatt.
Kapitel 62
„Um Himmels willen! Ist er getötet worden?“
Vor Sen fiel Arundhavi in den Staub.
„Verzeiht, aber ich weiß es nicht.“
„Vor wenigen Stunden war er noch bei uns“, warf Manao ein. „Wir haben sein Verschwinden erst bemerkt, kurz bevor wir hier eintrafen.“
„Aber wo ist er dann? Ihr wart außer Gefahr“, sagte Sen und ein Schatten zog über sein Gesicht.
Mit einem untröstlichen Ausdruck sah Arundhavi auf.
„Die Anstrengung des langen Marsches. Jeder war mit seinen Gedanken nur bei sich. Wir haben weder etwas gehört noch gesehen.“
„Es ist nicht Eure Schuld“, sagte Sen und half Arundhavi auf die Beine. Ein dunkler Gedanke schlich heran.
„Besitzt er Hinweise, mit deren Hilfe er die Pagode finden kann?“
Arundhavi verneinte.
„Ich habe die Papiere des Offiziers und Mister Finneys Aufzeichnungen durchgesehen, bevor ich sie ihm aushändigte. Wäre etwas Brauchbares darunter gewesen, hätte ich es entfernt.“
„Er hat einen Berg gesagt“, meinte Nini unbeholfen und den Tränen nah. „Der Unaussprechliche.“
„Der heilige Berg der Danah Oth. Die Inschriften sprachen davon. Aber wie hat er davon erfahren?“
„Sie haben ihn in einen willenlosen Zustand versetzt. Mit irgendeiner Droge“, sagte Manao. „Als er aufwachte, wusste er Dinge, die er nicht wissen konnte.“
Sen erinnerte sich, wie ihn schon einmal die Fähigkeiten des Engländers beeindruckt hatten. In Singapur, als er selbst, ohne es zu wissen, noch auf der Seite seiner Gegner stand.
„Ein erstaunlicher, junger Mann. Wenn sie mit ihm
Weitere Kostenlose Bücher