Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
Millimeter zu bewegen. Das Licht ihrer Lampe wurde schwächer.
„Die Batterien!“
„Wir müssen umkehren, bitte“, flehte Nini.
Manao nickte, griff ihre Hand und dicht beieinander tasteten sie sich an der Wand entlang, bis an die Barriere, die ihnen den Weg ins Freie versperrte. Die einzige Möglichkeit, die sich ihnen bot, war ein Schacht, der rechter Hand vor der Barriere in die Tiefe führte.
„Diese Öffnung war vorhin noch nicht da.“
Die Neigung fiel sanft ab. Es würde ihnen leicht fallen, hinabzusteigen.
„Es riecht komisch.“
Das dunkle Loch überschüttete Nini mit nackter Angst. Sanft fasste Manao ihre Schulter.
„Vielleicht geht es hier wieder nach draußen.“
Unentschlossen kaute Nini an ihren Lippen. Dort hinein oder warten, bis die Lampe endgültig erlosch und sie in dem verschlossenen Gang die Finsternis überfiel. Manao sammelte all seinen Mut.
„Wir haben sowieso keine Wahl.“
Als sie den Abstieg begannen, hörten sie ein dumpfes Gluckern jenseits der Wände. Es kam von überall.
„Bestimmt Regenwasser.“
Warum senkte er die Stimme?, fragte sich Nini zitternd. Befürchtete er dasselbe wie sie? Dass sich hinter den Wänden etwas Lebendiges zu schaffen machte? Stetig nahm das Gefälle zu, bis sie nur noch einen Fuß vor den anderen setzen konnten, mit den Händen Halt an den glatten Wänden suchten. Plötzlich fühlten die Mauern sich feucht an. Manao glitt aus und konnte sich nur mit Mühe fangen. Mit einem Schlag wurde seine Entschlossenheit fortgewischt.
„Es geht nicht.“
Er suchte festen Grund, rutschte aber gleich wieder ab. Das Gluckern verstärkte sich bedrohlich, Flüssigkeit quetschte aus Mauerritzen, als bluteten die Wände. Nini verlor das Gleichgewicht, prallte gegen Manaos Rücken und riss ihn mit zu Boden. Dann glitten sie beide ab, unaufhaltsam dem Dunkel entgegen.
Er stürmte in dem lichtlosen Tunnel voran. Als er den Abstand groß genug einschätzte, hielt Leonard kurz inne, horchte. Keine Schritte hinter ihm. Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, setzte er seinen Weg fort. Ab und zu stieß er mit der Schulter gegen kaltes Mauerwerk, wo der Tunnel eine Biegung vollführte. Voraus leuchtete ein schummerig gelbes Rechteck. Der Eingang zur heiligen Kammer! Das Ziel, endlich.
Er hatte erwartet, vor Aufregung kaum Luft holen zu können, dass sein Herz mit doppelter Geschwindigkeit schlagen würde. Aber alles sank in ein Meer der Ruhe, als er den steinernen Türsturz durchschritt. Kein Gedanke mehr an das, was hinter ihm lag. Das Grauen seines schmerzvollen Weges, der hier zu Ende kam, ausgelöscht. Die Gesichter derer, die ihn begleitet hatten, verschwammen. Alle Gedanken lösten sich auf, bis auf einen.
Ich bin der Einzige. Mir ist es bestimmt. Und ich habe es geschafft.
Schimmern breitete sich in der Kammer aus. Leonard war dem wandernden Licht des Mondes vorausgeeilt. Es würde noch eine Weile brauchen, bis es das zeigte, was sprach und bis es endlich das Letzte öffnete .
Das Heiligste war in der Form eines Hexagons gebaut und besaß drei Zugänge. Außer der mörderischen Treppe des Felsendoms musste es noch weitere Wege geben.
Über ihm wölbte sich die Halbkugel der Decke, mit Blattgold ausgeschlagen. Durch zwei Öffnungen blinzelten die Sterne herein. Die Wände zierten prachtvolle Malereien. Szenen aus dem Leben Buddhas, Schlachtengetümmel, in dem die Heere des Himmels auf Dämonenhorden stießen. In Nischen standen steinerne Figuren, fremde Gottheiten aus alten Zeiten, menschenverschlingende Ungeheuer, Fabelwesen, halb Tier, halb Mensch. In der Mitte des Raumes erhob sich ein steinerner Sockel, umkreist von acht weiteren, niedrigeren. Dies musste der Platz sein, den der einnahm, der die heiligen Silben aussprach.
In der Wand dem Eingang gegenüber ruhte ein kristallener Buddha in Meditationspose. Der aus meiner Trance, dachte Leonard. Der das Mantra sang mit verschlossenen Lippen. In diesem Moment durchfuhr es ihn.
Die monotonen Silben! Sie verrieten den Laut der rituellen Formel. Er konnte es! Er konnte die Reise des Schwarzen Buddha antreten. Leonard näherte sich der lebensgroßen, kristallenen Figur, ein hervorstehendes Relief, als stecke der Erleuchtete halb in der Wand. Eine seiner Hände ruhte auf dem Oberschenkel, die andere hielt er geöffnet, bereit, ein Geschenk zu empfangen. In der Handfläche befand sich eine flache, vielfach verwinkelte Vertiefung. Der Edelstein am Griff des Dolches! Der Schliff der Oberseite passte exakt
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