Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
ihm gleich darauf ein, konnte er mit diesem Hinweis nicht das Geringste anfangen. Das änderte sich, als er knapp eine Stunde später erneut einen Anruf erhielt.
Kapitel 13
Arundhavi berührte vorsichtig die Wunde an seiner Schulter. Zwei Fehler hatten ihn beinahe das Leben gekostet. Den unzuverlässigen Schläger anzuheuern, erwies sich als der geringere. Sein Tod hingegen stellte einen Teil des Plans dar. Wäre alles wie gewünscht verlaufen, hätten Arundhavis Hände ihn vor den Schöpfer treten lassen. Die Sache duldete keine Zeugen.
Der andere Fehler wog schwerer. IHN zu unterschätzen. ER verfügte über erstaunliche Kräfte und eine Macht schützte ihn. Die Geschwindigkeit, mit der er noch unter dem Einfluss der Droge reagiert hatte, grenzte an ein Wunder. Wäre Arundhavi kurz vor dem ersten Schuss, abgelenkt durch ein Geräusch im Garten, nicht ein wenig zur Seite gewichen, hätte ihn die zweite Kugel ins Herz getroffen. So hatte sie ihm nur eine hässliche Kerbe in die linke Schulter geschlagen. Es würde schnell heilen, aber eine gut sichtbare, verräterische Narbe hinterlassen.
Er versorgte die Wunde und streifte seine Robe darüber. Aus der Tempelhalle hörte er das monotone Gemurmel der Mönche, in die Rezitation heiliger Schriften vertieft. Dann holte er das Stück Palmblatt hervor und betrachtete es. Nur zusammen mit den beiden anderen würde es ihm verraten, was er zu wissen begehrte. Ihn erfüllten unheilvolle Gedanken. Noch immer keine Nachricht von seinen beiden Brüdern, obwohl sie längst in Singapur sein müssten. Er befürchtete das Schlimmste. Eine unheimliche Macht drängte sich zwischen sie.
Womöglich, dachte Arundhavi, handelte er zu übereilt, als er IHN entführte. Um zu erfahren, was ER wusste. Ob ER vielleicht jene unheimliche Macht repräsentierte. Das Überraschungsmoment war dahin. ER würde jetzt vorsichtiger sein. Das stellte möglicherweise Arundhavis dritten Fehler dar. Einen, den er unter Umständen noch bereuen sollte.
Er log, das stand fest. Durch zwei Dinge hatte Mahangir sich verraten. Seine nur mit Mühe gebändigte Unruhe beim Anblick der Tätowierung. Und die Behauptung, ihm wäre dergleichen unbekannt . Leonard stoppte den Wagen an der Ecke Orchard Road und Claymore Hill. Hier hatte er seinen Begleiter am frühen Morgen aufgelesen und an derselben Stelle setzte er ihn wieder ab. So verhinderte Mahangir, dass Leonard seinen Aufenthaltsort erfuhr. Und das machte ihn noch verdächtiger.
„Eine grauenhafte Geschichte“, sagte der Malaie. „Ich habe keine Erklärung dafür.“
Einem Impuls folgend beschloss Leonard, ihn zu überfahren.
„Schon mal was von der Pagode des Schwarzen Buddha gehört?“
Mahangir reagierte nüchtern, als habe Leonard nur nach dem Weg gefragt.
„Nein. Es würde mich auch wundern, wenn es eine solche Pagode geben sollte. Der Ausdruck Schwarzer Buddha dichtet dem Erleuchteten eine dunkle Seite an. Es wäre, als würden Sie behaupten, Jesus Christus hätte neben seiner allumfassenden Liebe auch eine kriminelle Ader gehabt.“
Den Türgriff in der Hand hielt Mahangir noch einmal inne.
„Wie kommen Sie darauf?“
„Ich habe es gehört. Im Zusammenhang mit einem Artefakt, das diese Morde miteinander verbindet.“
Leonard setzte eine kurze Pause.
„Das Auge der Dunkelheit.“
Um Mahangirs Mundwinkel zuckte es, als hätten ihm die Worte einen Stromschlag versetzt.
„Das Auge der Dunkelheit, ja. Ein alter Mythos. Er soll der erste Kris sein, der je geschmiedet wurde. Unfassbar mächtig. Und ebenso wertvoll.“
„Aber?“
Ganz sicher gab es ein –aber-. Jedenfalls würde Mahangir das behaupten.
„Historikern ist bis heute nicht gelungen, die Herkunft dieser Dolche zu klären. Weder wo genau noch wann sie entstanden. Das Auge der Dunkelheit ist nur der Versuch einer Erklärung, eine Legende.“
„Ich glaube kaum, dass Menschen umgebracht werden nur für den Versuch einer Erklärung.“
„Um diesen Kris herum gibt es wieder eine Menge Legenden. Er verleiht absolute Macht, schenkt ewiges Leben. Manche behaupten, er weise den Pfad zum Wissen. Andere sagen, er gehörte einem mächtigen König. Und auf der Klinge sei der Weg zu einem ungeheuren Schatz eingraviert.“
„Ein Schatz?“
„Sicher die populärste Geschichte. Und trotzdem gibt es nirgendwo einen Beweis für die Existenz dieses Dolches.“
„Mehr als zwei Dutzend Menschen starben für das, was nicht existiert“, sagte Leonard nachdrücklich. „Oder ist das
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