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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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aber keine Miene verziehen, wenn jemand versicherte, im Hotel Old Empire bewege sich immer alles selbst an die richtige Stelle. Ihn faszinierte die unglaubliche Akkuratesse, mit der die Gegenstände im Zimmer Tag für Tag an exakt die gleiche Position gerückt wurden. Selbst seine nachlässig auf dem Boden verstreute Wäsche deponierte man stets auf die gleiche Weise gefaltet auf das Fußende des Bettes.
Er leerte seine Taschen, zog die Schuhe aus und warf sich auf das Bett. Ajay. Was hatte das Mädchen gewollt? Dazu gesellte sich ein unpassender Gedanke. Eigentlich ganz hübsch, die Kleine. Zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahre alt, schlanke Figur, das Haar eine Nuance heller als bei Asiaten üblich. Es reflektierte das Licht mit einem bräunlichen Schimmer. Sie machte nicht den Eindruck eines einfachen Hausmädchens.
„Ihre Vorfahren waren irgendwelche Küstenpiraten“, hörte er Runciman noch einmal sagen. Vielleicht lag es daran.
Er richtete sich wieder auf. Die Straßenschuhe, gerade erst ausgezogen, lümmelten sich übereinander vor dem Bett. Aber das Paar eleganter Schuhe vor dem Nachttisch, das er gestern zum Diner getragen hatte, zog ihn in den Bann. Wie die zusammengefaltete Kleidung am Fußende des Bettes stellte der Zimmerservice auch die Schuhe immer korrekt nebeneinander wie mit dem Lineal gezogen. Dieses Mal knickte der linke um Zentimeter ab, zeigte seinem Kollegen die kalte Schulter. Um die Nachlässigkeit des Personals zu korrigieren, schob Leonard ihn in eine gerade Position.
„Was zum ...?“
Auf dem Teppich klebte ein runder, dunkler Fleck. Blut! Nur ein einzelner Tropfen. Um sich herum die übliche Ordnung. Nur hier, direkt vor dem Nachttisch, leuchtete der rote Fleck wie eine Warnanzeige. Nach dem Zimmerservice war noch jemand hier gewesen. Und hatte den Blutstropfen mit dem Schuh verdeckt.
Leonard sprang auf und fiel auf die Knie. Wie im Zimmer 300 musste man sich auch hier weit herunterbeugen, um unter das Schränkchen zu sehen. Es war zu dunkel, um es genau zu erkennen. Es sah aus wie ...
Eine Schlange!
Mit einem Kleiderbügel langte er unter den Nachttisch und stupste das Tier an. Es lag reglos wie in Winterstarre. Leonard wurde mutiger und stocherte, bis er das Ding heranziehen konnte.
„Das gibt´s doch nicht!“
Die Schlange blinkte metallen. Die wellenförmige Klinge eines dieser Dolche. Ein Kris! Blut klebte daran und ein hautähnlicher Fetzen. Fassungslos stierte er auf den Dolch. Die Maserung der Klinge! Es war der aus Runcimans Sammlung!
Wie um alles in der Welt kam er hierher? Es meldete sich die widersinnigste Erklärung mit der Stimme Mohan Mahangirs.
„Sie haben einen eigenen Willen. Man hört von Dolchen, die sich selbsttätig an einen anderen Ort begeben.“
Dann sah er es. Diesem Dolch fehlte ein Detail. Es schlummerte jetzt als Beweisstück in Sujardhans Asservatenschrank. Der Stielring. Er hielt die Mordwaffe in seinen Händen. Unfähig zu denken, stand er still. Sekunden, die ihm fehlen sollten. Seine Reaktion kam zu spät.
„Du verdammter Trottel!“, stöhnte er. Man brauchte nicht besonders clever sein, um zu begreifen, was gespielt wurde.
Mit drei Schritten war er bei der Tür, öffnete sie und spähte in den Gang hinaus. Niemand zu sehen. Dann lief er zur Treppe. Von den drei Gestalten, die heraufstürmten, erkannte er zwei. Detective Inspector Sung. Und den malaiischen Officer.
    „Das dürfte ihn in Zukunft davon abhalten, seine weiße Langnase in Dinge zu stecken, die ihn nichts angehen, Herr.“
Die Bemerkung seines Sekretärs schallte Chan Khuo deutlich zu selbstgefällig.
„Wenigstens das habt ihr Versager hingekriegt“, wies er ihn in die Schranken. Schon das Anheben der Stimme stach in seine Glieder wie ein widerliches Insekt. Chan Khuo litt unter dem Engelmann-Syndrom. Eine Erbkrankheit, die die Knochen befiel und die inneren Organe. Zudem bereitete sie in späteren Jahren das Feld für eine seltene Form der Leukämie. Leber, Nieren und Knochenmark zerfielen unaufhaltsam. Die von Missbildungen am Knochengerüst herrührenden Schmerzen konnte er nur mit Morphium dämpfen. Es verschaffte die gewünschte Linderung, beschleunigte aber gleichzeitig seinen Verfall. Seit seiner Geburt, über fünfzig Jahre lang, führte er den stummen Kampf gegen die Krankheit. Sein Geist arbeitete wacher denn je, doch der Spiegel zeigte den verrunzelten Körper eines todgeweihten Greises. Er stützte sich mit der gelben, fleckigen Hand am

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