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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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Rückgrats. Die geometrischen Muster umgaben ein Symbol, in blasserer Farbe als die übrigen Zeichnungen. Der Zacken eines Sterns, verziert mit einer Schale oder einem liegenden Halbmond. Mit widernatürlicher Kraft nahm die Tätowierung Leonard gefangen. Er glaubte, den Teil eines Gesamtbildes vor sich zu haben. Und ahnte, auf wessen Rücken sich ein weiterer Teil finden würde. Wäre die Verwesung des Toten in Laderaum III nicht schon zu weit fortgeschritten. Die anderen wurden ebenfalls von der ungewöhnlich lebhaften Darstellung in den Bann geschlagen. Nur mit Mühe bändigte Mahangir seine Unruhe.
„Was ist das?“, fragte jemand.
Als Erster löste sich Officer Sujardhan von dem unerklärlichen Sog dieses Bildes.
„Gehört es zu den Pflichten eines empu , sich auf diese Weise tätowieren zu lassen?“
In der Aufregung empfand es jeder im Raum als völlig normal, dass Mister Mahangir darauf antwortete.
„Nein. Mir ist dergleichen unbekannt. Andererseits, so gut kenne ich mich damit auch nicht aus.“
„Tätowierungen sind doch eigentlich immer Bilder oder bildhafte Ornamente“, meinte der Doktor, „ein Drache zum Beispiel oder eine Lotosblüte.“
„Was willst du damit sagen?“
„Behaupte ruhig, ich hätte meinen Verstand in arrak ersäuft, aber das hier sieht ganz anders aus. Eher wie eine Botschaft.“
„Du hast deinen Verstand sogar ganz sicher in arrak ersäuft“, sagte Sujardhan und grinste. „Trotzdem, das ist ein interessanter Ansatz.“
Dadurch ermutigt ereiferte sich der Doktor.
„Der äußere Teil, das Viereck, ist eindeutig erst vor kurzem hinzugefügt worden. Und so, wie es um das ältere Symbol angeordnet ist, nehmen beide Bezug aufeinander.“
„Das bezweifele ich. Das Ganze sieht aus wie ein mandala , wie sie zur spirituellen Versenkung benutzt werden. Als Tattoo drückt es möglicherweise nur eine Verbundenheit mit einer gewissen Glaubensvorstellung aus. Also bloßer Körperschmuck. Ohne jede Bedeutung.“
Mitleidig klopfte Sujardhan dem Doktor auf den Rücken.
„Das ist leider auch ein interessanter Ansatz.“
Alle gaben sich mit Mahangirs Erklärung zufrieden. Für Leonard jedoch kam sie zu eilfertig.
Dem Toten unterstellten alle das Praktizieren magischer Rituale. Warum sollte er sich lediglich einen schicken Körperschmuck zulegen? Als sei er ein Jugendlicher aus den Londoner Vororten, die sich alle möglichen Tattoos einritzten, ohne sich um deren Bedeutung zu kümmern. Plötzlich meldete sich ein anderer Gedanke. Wie konnte er das bislang übersehen? Die Parallelen drängten sich auf. Gandring hatte zu den im Brief seiner Eltern erwähnten Schamanen gehört. Es gab noch einen Dritten! Und Gandring dürfte, wie der Tote auf der Nalanda Star, ebenfalls ein Palmblatt besessen haben. Führte das eine hierher, so wies das des empu auf den Dritten. Verbarg es sich hier in der Schmiede?
„Hier ist noch etwas“, sagte der Doktor.
Zwischen den Falten des Sarongs, der den Unterleib des Toten bis zu den Knien bedeckte, holte er ein kupferfarbenes Stück Blech hervor. Das flache Metall bestand aus zwei Lagen, von getrocknetem Blut verklebt.
„Wie kommt das dahin?“
Sujardhan nahm es entgegen und wischte das Blut ab. Darunter kam eine feine, in das Blech geritzte Ornamentik zum Vorschein.
„Sieht aus wie eine Zierleiste.“
Mahangirs Kennerblick offenbarte sich, was der Sergeant in der Hand hielt.
    „ Sie täuschen sich. Sein Körpergewicht hat es nur zusammengedrückt. Es ist ein Stielring.“
„Was ist das? Ein Stielring?“
„Es ist eine Verzierung, die um das untere Ende eines Kris-Griffes angebracht wird.“
„Möglicherweise gehört es zu einer seiner Arbeiten.“
„Entschuldigen Sie, ich muss Ihnen noch einmal widersprechen“, entgegnete Mahangir. „Ein empu ist für die Herstellung der Klinge verantwortlich. Die übrigen Teile eines Kris, der Griff, die Scheide und eben auch der Stielring werden von anderen Spezialisten angefertigt.“
„Dann gehört das nicht hierher.“
Selbst ein Dorfpolizist hätte den Zusammenhang erkannt.
„Das ist ein Teil der Mordwaffe! Gandring wurde mit einem Kris getötet!“
„Wie passend“, warf der Doktor gefühllos ein.
„Es muss beim Kampf abgebrochen sein. Und Gandring hat es in seinem Sarong versteckt, um einen Hinweis zu hinterlassen.“
Wieder schüttelte Sujardhan den Kopf in Anbetracht des geradezu überirdischen Willens, noch unter Todesqualen diesen klaren Gedanken zu fassen. Dummerweise, fiel

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