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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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trugen sie eine andere Botschaft. Diese Schriftzeichen entstammten der Sprache eines Volkes, das Mahangirs Buch als Chu-Po bezeichnete. Ein Volk, das längst vom Angesicht der Erde verschwunden war.
„Chu-Po? Nie gehört“, sagte Lin und setzte eine Miene auf wie ein Kind, dem ein Wunsch verweigert wird.
„Als ich einen Mann einlud, der von der Polizei gesucht wird, hab ich mit allem gerechnet. Nur nicht mit einer Geschichtsstunde.“
„Entschuldige, wenn ich dich damit belästige.“
Er sackte in sich zusammen und Lin legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Ich verstehe“, sagte sie sanft.
„Ich muss dieses Ding finden“, sagte Leonard bedrückt. „Meine Eltern sind deswegen ums Leben gekommen. Wenn ich den verdammten Kris finde, erfahre ich vielleicht, was das alles bedeutet. Und vielleicht führt er mich zu den Mördern.“
Sie gab ihm einen zarten Kuss.
„Okay. Machen wir weiter.“
Leonard nahm Mahangirs Buch wieder auf, verglich Buchstabe um Buchstabe. Es folgte die nächste Ernüchterung. Das Ergebnis der Übersetzung lautete:
„So sprach das Volk von Malayu.“
„Wenn sich das auf die Botschaft bezieht, bedeutet es, das Volk von Malayu sprach in Hexagrammen. Das ergibt keinen Sinn.“
„Warte, warte“, sagte er und blätterte in einem anderen Band.
„Hier. Malayu. Ein altes Fürstentum, das vor über 1300 Jahren auf Sumatra regierte. Von dort stammt die malaiische Kultur.“
Ein Blitz schlug ein.
„Es geht gar nicht um die Bedeutung der Hexagramme. Wie sprach das Volk von Malayu?“ fragte er.
„Na, malaiisch, nehm ich an.“
„Und wie schrieb sich das?“
„Erst mal gar nicht“, antwortete Lin. „Das Malaiische war lange nur ein gesprochener Dialekt. Als man später eine Schriftform suchte, stellte man fest, dass sich die Laute am besten mit dem lateinischen Alphabet ausdrücken lassen. Bahasa Malayu. So, wie es heute noch verwendet wird in Malaysia.“
„Das ist es!“
Jetzt drückte er ihr einen Kuss auf die Lippen. Der Triumph erhellte sein Gesicht. Seine Sammlung enthielt eine Liste, in der die Hexagramme die Ziffern 1 bis 64 trugen. Einige auf dem Palmblatt wiederholten sich, aber keines davon entsprach einer höheren Ziffer als 26.
„Es kommt auf die Ziffern der Hexagramme an. Sie repräsentieren lateinische Buchstaben. Hexagramm 1 für den Buchstaben a , Hexagramm 2 für den Buchstaben b , und weiter in dieser Reihe.“
Fieberhaft übersetzte er die Zeichen. Schon nach den ersten Buchstaben versiegte die anfängliche Begeisterung. Seine Reihe ergab: G-L-O-D-U-D-Q-J und P-D-N-D-P.
Enttäuschung wischte den Triumph beiseite.
„Ich war mir sicher.“
„Du musst richtig liegen. Es ist vielleicht nur nicht ganz so simpel.“
„Aber welchen Anhaltspunkt haben wir noch?“
Er betrachtete die Zeichen in den Ecken, die Mahangir bereits als Numerale übersetzt hatte. Links oben die 1 und weiter im Uhrzeigersinn 4, 7 und 10.
„Denk laut“, forderte Lin ihn auf.
„Die 1 links oben bedeutet wahrscheinlich, dass dies das Palmblatt Nummer 1 ist. Es gibt insgesamt drei davon. Die drei übrigen Zahlen erhöhen sich jeweils um den Faktor drei. 1 plus 3 ist 4, 4 plus 3 gibt 7 und so weiter.“
„Und?“
„Ich nehme an, das nächste Palmblatt beginnt links oben mit der 2. Wird also, denselben Faktor vorausgesetzt, die Zahlenreihe 2, 5, 8 und 11 tragen, das dritte dann die 3, 6, 9 und 12. Vielleicht nur ein Symbolwert. Immer die 3. Drei Palmblätter, der Faktor drei, der dreizackige Stern. Das ist das Zeichen des Auges . “
Ohne zu verstehen, was er meinte, nickte Lin.
„Was ist, wenn man die Ziffern der Hexagramme ebenfalls um den Faktor 3 erhöhen muss?“
Der Einfall brachte ihn wieder auf die Beine.
„Auf diese Weise repräsentieren sie die Buchstaben, die im Alphabet um drei Stellen weiter vorn liegen.“
Wieder sortierte er die Hexagramme, diesmal nach dem neuen Zahlencode. Wieder ergab es nur bedeutungslosen Buchstabensalat.
„Okay. Letzter Versuch. Wir vermindern die Ziffern um den Faktor drei.“
Hastig ordnete er die Buchstaben nach dieser Methode. Und dieses Mal zeigte sich eine lesbare Zeile.
dilarang makam
Lins Augen glänzten. Fasziniert stand sie eine Weile stumm, die Lippen geöffnet.
„Das ist wirklich malay “, hauchte sie. „Zwei Worte. „ dilarang heißt verboten und makam bedeutet Grab.“
Immerhin ein Anfang. Die Palmblätter enthielten eine konkrete Botschaft. Sie deuteten auf einen Ort, einen ziemlich sinistren.

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