Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
Länge nach eine Narbe wie von einem Peitschenschlag. Sie erzeugte den verwirrenden Effekt, sein Gesicht teile sich in Hälften, die zwei verschiedenen Personen gehörten. Ein Gerücht kursierte, er sei mit diesem Gesicht geboren worden. Als seine Mutter mit ihm schwanger war, hatte sie die grauenhafte Vision geplagt, sie trüge den Wächter der Hölle im Leib. Eruka, der Bluttrinker, der begann, sie von innen her aufzufressen. Im Wahn stieß sie eine Schneiderschere in ihre Vagina, um den Teufel herauszuholen. Ihre herbeieilenden Geschwister verhüteten das Schlimmste. Doch der Junge kam mit dieser grässlichen Wunde auf die Welt. Seitdem tat Lo Han alles, um sich den Ruf eines wahrhaftigen Dämons anzueignen. Sein erstes Opfer war seine eigene Mutter. Sie endete mit aufgeschlitztem Leib auf einem Müllhaufen am Rande des Dorfes, als Futter für die Krähen.
Lo Han besaß ungewöhnlich feine, ruhige Hände, wie gemacht für das zarte Spiel mit der Violine. Selten berührten sie anderes als Mordwerkzeuge. Im Laufe seines Lebens starben über hundert Menschen durch diese Hände. Chan Khuo rief ihn nur dann, wenn es ein besonders grausames Exempel zu statuieren galt. Eine von Lo Hans Spezialitäten war das Tranchieren der Leber bei lebendigem Leib. Auf den Stock gestützt trat Chan in den Halbschatten und beugte herunter.
„Such ihn. Bring mir, was er gefunden hat. Und sorg dafür, dass ich nie wieder seinen Namen höre.“
Wortlos stand Lo Han auf und ging. Kaum jemand vernahm je den Klang seiner Stimme. Die meisten, denen dieses zweifelhafte Glück zuteilgeworden war, lagen irgendwo verscharrt.
Kapitel 17
„Man könnte meinen, dieser verdammte Schweinehund war mal beim Geheimdienst“, grummelte Randell.
Oren Kavenay schob sich das letzte Stückchen mediumgebratenes Filetsteak in den Mund.
„Die asiatische Küche hat bestimmt ihre Reize“, sagte er kauend. „Aber das hier übertrifft einfach alles.“
Sie saßen auf der Terrasse eines Restaurants am boat quay . Vor ihrem Tisch gluckste der Singapore River, ein schmales Wasser, das sich durch die Hochhausschluchten der Innenstadt schlängelte. Verständnislos schüttelte Randell den Kopf. Die Ruhe seines Vorgesetzten löste bei ihm das Gegenteil aus.
„Wie vom Erdboden verschluckt. Wie stellt er das, verdammt noch mal, an?“
„Wir stecken in einer Sackgasse, mein Lieber“, konstatierte Kavenay mit unpassender Munterkeit. „Als Finney angerufen hat, dachte ich, ich hätte ihn ... wie sagst du immer?“
„Bei den Eiern, Sir.“
„Bei den Eiern, richtig. Na, wir sollten froh sein, dass ihn die lieben Kollegen vom Crime Department auch nicht geschnappt haben. Was ist deiner Meinung nach in der Carpenter Street gelaufen?“
Die Frage stellte er in einem Ton, als interessiere ihn die Antwort kein bisschen.
„Da ist noch ein anderes Arschloch an ihm dran. Das ist in der Carpenter Street gelaufen.“
Hastig schob Randell eine Entschuldigung hinterher.
„Sorry, Sir. Ich wollte damit keinesfalls sagen, Sie wären ein ... Verstehen Sie mich nicht falsch.“
Stets achtete er darauf, sich mit seinem Vorgesetzten gutzustellen. Diese Umsicht entstand aus Randells dumpfer Befürchtung, eines Tages selbst ein uf - Proband zu werden und auf Kavenays Experimentiertisch kalt abzugehen . Ihm standen die Qualen der jungen Studentin noch vor Augen.
„Lass gut sein, Randell. Es ist eine Frage des Standpunktes. Finney würde ganz bestimmt sagen, dass ich ein Arschloch bin. Jedenfalls, wenn ich mit ihm fertig bin.“
„Dazu müssten wir ihn aber erst mal in die Finger kriegen.“
„Oh, da bin ich ganz zuversichtlich“, sagte Kavenay sanft. „Wir erfahren, was immer die Polizei erfährt. Und bis jetzt hat unser kleiner Finney nur Glück gehabt. Viel Glück. Das geht auch mal vorbei.“
Manieriert betupfte Kavenay die Mundwinkel mit einer Stoffserviette.
„Dass da aber noch ein anderer an ihm dran ist, missfällt mir. Wissen wir etwas über ihn?“
Mit einer beiläufigen Handbewegung kommandierte er den Kellner an ihren Tisch und bestellte noch ein Glas Wein. Randell holte ein Blatt Papier aus der Innentasche seines Anzugs.
„Ich hab nachgedacht, Sir. Die Sache mit dem Frachtschiff.“
„Ja. Was hat Finney da gemacht?“, unterbrach Kavenay versonnen. „Das würde ich zu gern wissen.“
„Es hängt mit unserer Sache zusammen. Das haben keine normalen Piraten veranstaltet. Das war einer von den Haien im Becken. Ein fetter Fisch.“
Dann faltete
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