Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
er das Blatt auseinander.
„Kommen wir zur Carpenter Street. Andere Runde. Gleiche Liga. Derselbe Spieler.“
Das Kinn auf eine Faust gestützt hörte Kavenay aufmerksam zu wie ein Junge, dem eine Gutenachtgeschichte erzählt wurde.
„Der Fisch, der uns dazwischen funkt, ist von hier. Ausgezeichnete Verbindungen. Viel Geld dahinter. Dreck am Stecken. Das Dumme ist nur, davon gibt´s hier reichlich.“
„Du hast bestimmt noch ein Ass im Ärmel, oder?“
„Der fette Fisch ist auf die gleiche Beute aus wie wir.“
Mit Kavenays Lob beschenkt lief er zur Hochform auf. Das Bild mit dem Fisch gefiel ihm besonders gut.
„Also dachte ich mir. Schau dir doch mal die Liste der Vereine und Institutionen an, die sich mit Grenzwissenschaften beschäftigen. Und ob es edle Spender gibt, die diese Arbeit unterstützen.“
Er drehte das Blatt um, damit Kavenay es lesen konnte.
„Ein Name taucht mir etwas zu oft auf. Lorong timber group.“
„Was denn? Ein paar Holzfäller interessieren sich für paranormale Phänomene?“
„Genau das hat mich auch stutzig gemacht. Eine kleine Firma, die mit Teak handelt. Und ausgerechnet so ein Laden steckt sein Geld in diese Forschungen. Mit ihrer Spende erhalten sie Zugriff auf alle Ergebnisse. Riecht komisch.“
„Kann man so sagen.“
„Lorong timber gehört zu HK Industrials. Die wiederum ...“ Er setzte kurz ab. „Ich erspar Ihnen die Einzelheiten, wie dieser Trust zusammengesetzt ist, Sir. Ziemlich geschickt verschachtelt.“
Mit einer sachten Kopfbewegung bedankte sich Kavenay.
„Der ganze Verein mündet in einem einzigen, großen Konzern. Chan Khuo Far Eastern Enterprises.“
„Interessant“, murmelte Kavenay. „Wirklich interessant. Was prädestiniert diesen Laden für uns im Besonderen?“
„Sein Kopf. Chan Khuo. Gilt als einer der dicksten im Opiumhandel. Genau die Art fetter Fisch, der sich die Bullen in die Tasche stecken kann. Und der ein ganzes Frachtschiff kapert, ohne dass man ihm an den Karren fährt.“
Mit spitzen Lippen kostete Kavenay den Wein.
„Diesem Kerl tritt der liebe Finney also auf die Füße.“
Was einen chinesischen Drogenbaron in die Sache verwickelte, wollte Kavenay nicht aufgehen.
„Mächtige Konkurrenz, Sir“, brummte Randell. „Mit seinen Möglichkeiten schnappt sich das Schlitzauge den Engländer, bevor wir ihn kriegen.“
„Nur die Ruhe, Randell. Finney ist untergekrochen. Da kann er nicht ewig bleiben. Streckt das Kaninchen die Nase raus, ist es dran. Es fragt sich nur, welcher Hund dann vor seinem Loch wartet.“
Für Kavenay bestand kein Zweifel, wer das sein würde.
„Eine Nachricht aus Manila, mein Herr“, flüsterte Tan Pai. Sein Gebieter döste zerknittert auf einer Chaiselongue, in Decken gehüllt. Gelegentlich setzte Chan Khuo die Morphium-Injektionen ab, da sie, zu regelmäßig verabreicht, seine Kräfte gänzlich zu verzehren drohten. Zu den höllischen Schmerzen, welche die verunstalteten Knochen verursachten, kamen noch die des Entzugs. Seine Eingeweide fraßen sich selbst auf. Fetter Schweiß drückte einen unangenehmen Geruch aus allen Poren. Seine Schweinsaugen zogen sich zu dünnen Schlitzen zusammen.
„Die Reklamation wurde angenommen“, hörte er Tan Pai sagen. „Die beanstandete Ware wurde nach den Richtlinien des Hauses ordnungsgemäß entsorgt.“
Mit anderen Worten: Die Hure Lin verweste mit zerquetschter Kehle auf einer Mülldeponie. Bei diesem Gedanken umspielte ein Schmunzeln Chans trockene Lippen. Er verfaulte, aber er lebte noch. Nur das zählte. Die Hoffnung, dachte er. Ein wenig von dem Schmerz spülte sie fort, die Hoffnung.
Heute Nacht.
Irgendein schmieriges Subjekt, ein Junkie, einer von Hunderten seiner Spitzel, der nicht einmal wusste, für wen er arbeitete, hatte einen Kerl ausfindig gemacht. Jemand, der Finney eine falsche Identität besorgte. So erfuhr er, wo sich der verfluchte Engländer versteckte. Lo Han würde den Rest besorgen. Man sagte über den Lautlosen , er sei unfähig, ein Gefühl zu empfinden. Unter seiner Haut befinde sich eine dicke Eisschicht, die von den Nervenenden nicht durchdrungen werde. Vielleicht machte ihn das zu dem perfekten Mörder. Noch nie hatte er eines seiner Opfer entkommen lassen.
Heute Nacht, dachte Chan Khuo, werde ich es bekommen. Das, was der weiße Hundesohn in dem Haus gefunden hatte. Und seine Leber.
Der Schatten wartete. Eben nur, wie die Berührung eines dürren Astes, spürte er das Gewicht der Klinge. Sie schlummerte in
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