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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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aufmerksam zu machen. Außerdem wünsche ich, dass du mich in die besonderen Gepflogenheiten am Hof einführst. Wie du weißt, gibt es überall Persönlichkeiten, deren besondere Vorlieben unter allen Umständen berücksichtigt werden müssen.«
    »Sehr wohl, Herr, ich verstehe«, erwiderte Yassir und verneigte sich erneut. Ein breites Lächeln lag auf seinem Gesicht. »Ich werde mich zur gegebenen Zeit daran erinnern. Ihr könnt Euch ganz auf mich verlassen.«
    »Ich danke dir«, sagte Beatrice und lächelte ebenfalls - vor Erleichterung. Das schien doch viel einfacher zu sein, als sie befürchtet hatte. Endlich konnte sie sich ganz normal verhalten. Sie konnte offen und frei sagen, was ihr in den Sinn kam. Sie konnte mit jedem sprechen, ohne erst auf die Erlaubnis warten zu müssen. Und abgesehen vom Harem würde sie überall hingehen dürfen - allein und unverschleiert. Sogar auf den Basar. Oder zu Malek. Wenn das kein Fortschritt war.
    Während sie einen langen, verwinkelten Flur entlangschrit ten und eine Wendeltreppe emporstiegen, tastete sie in ihrer Hosentasche nach dem Stein der Fatima. Eine wohlige Wärme ging von ihm aus, wie von einer Tasse Tee nach einem langen Ritt durch die eisige Steppe bei Taitu. Und Beatrice bildete sich ein, der Saphir wolle ihr sagen, dass ihre Entscheidung, sich als Mann an Subuktakins Hof zu schmuggeln, richtig gewesen war.
    Nach einer Weile blieb Yassir vor einer Tür stehen.
    »Wir sind da, Herr«, sagte er leise, so als wollte er vermeiden, dass andere sie hören konnten. »Vor Abu Rayhan braucht Ihr Euch nicht zu fürchten. Er ist ein kluger, freundlicher Mann und gehört nicht zu denen, die andere verurteilen, nur weil sie nicht dieselben Sitten und Bräuche pflegen. Leider hat er nicht immer die Möglichkeit, seinen wahren Gedanken Ausdruck zu verleihen.«
    »Welche Aufgabe hat er? Welcher Wissenschaft widmet er seine Aufmerksamkeit?«
    »Er ist der Hofastronom und Chronist unseres edlen Herrschers, Herr«, antwortete Yassir. »Eine Position, die hier in
    Gazna nicht nur Vorteile mit sich bringt - wenn Ihr versteht, was ich meine.«
    Beatrice nickte. Sie verstand nur zu gut. Nach allem, was sie bisher über Subuktakin gehört hatte, bedeutete dies, dass Abu Rayhan mehr als alle anderen Gelehrten auf einem Schleudersitz lebte, während der Daumen des Herrschers über dem Auslöser schwebte. Yassir pochte an die Tür, und ein paar Sekunden später stand Beatrice in einem Raum, der ihr förmlich die Sprache verschlug.
    Es handelte sich um ein Turmzimmer, eher wohl ein Arbeitszimmer oder eine Bibliothek, denn die Wände waren mit Regalen voll gestellt, deren obere Fächer nur mit Hilfe einer Leiter zu erreichen waren. Die Fülle der Bücher war geradezu unglaublich. Es gab Folianten, die aufgeschlagen mindestens einen Quadratmeter groß sein mussten, Bücher, die so dick waren, dass man sie nicht einmal mehr unter den Arm klemmen konnte, und Bände, deren Rücken so wunderschön verziert waren, dass Beatrice sich mühsam beherrschen musste, sie nicht sofort aus dem Regal zu nehmen. Dieser Raum war ein Paradies für jeden Antiquar, und allein der materielle Wert, den die hier angesammelten Bücher bereits im Mittelalter darstellen mochten, war kaum schätzbar. Überall standen niedrige Tische und Stehpulte mit aufgeschlagenen Büchern, Glaskolben mit Flüssigkeiten und verschiedenfarbigen Pulvern sowie mit römischen Ziffern nummerierte Holzkästen in allen erdenklichen Größen. Auf einem riesigen auseinander gerollten Pergament konnte Beatrice Zeichen und Punkte entdecken, die eine Sternkarte darzustellen schienen. Und das Licht der Fackeln und Talglichter warf geheimnisvolle Schatten an die Wände.
    Fehlen eigentlich nur der obligatorische Schädel und die auf einer Stange sitzende Eule, und wir hätten das Gemach eines Zauberers aus einem Märchenfilm, dachte sie und richtete ihren Blick zu der hohen gewölbten Decke hinauf. Dort oben befanden sich mehrere große Fenster, die in alle Himmelsrichtungen zeigten. Eine schmale Holztreppe führte zu einer Galerie empor, auf der ein Mann stand und durch ein Fernrohr sah - der eigentliche Arbeitsplatz des Astronomen.
    »Willkommen, Herr«, sagte ein Diener, der in einer Ecke des Raums offensichtlich damit beschäftigt war, kreuz und quer auf einem Tisch liegende Pergamentschriften zusammenzurollen und sie wieder an ihren ursprünglichen Platz zu ordnen. »Ich werde meinem Herrn sogleich Eure Ankunft melden.«
    Er verneigte sich

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