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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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den Eindruck, dass einer von beiden dies bedauerte.
    Abu Rayhan bot Beatrice den Messingteller an. Sie brach sich ein Stück Brot ab, wickelte ein Stück Zwiebel und Gurke darin ein und biss hinein. Es schmeckte wirklich köstlich. Seit ihrem Aufenthalt in Buchara hatte sie eine Schwäche für die orientalische Küche entwickelt. Zum Glück gab es in Hamburg ausreichend syrische, pakistanische, afghanische und türkische Restaurants, um diese Leidenschaft zu befriedigen, und Kochbücher mit entsprechenden Themen füllten in ihrer Küche bereits ein ganzes Regal. Trotzdem war das alles nicht mit den Kochkünsten im Palast eines Emirs zu vergleichen. Ob es an der Frische der Zutaten lag oder einfach daran, dass diese Küche noch von den Einflüssen der Neuen Welt verschont und daher unverfälscht war, konnte sie nicht sagen. Aber es war wie das Eintauchen in ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Das gute Essen und das köstlich duftende Wasser taten ihre Wirkung. Ihre Stimmung hob sich merklich. Und auch Abu Rayhan lächelte wieder.
    »Erzählt mir von Eurer Heimat, Saddin al-Assim«, begann er das ins Stocken geratene Gespräch wieder. »Leider hatte ich nie die Möglichkeit, El-Andalus zu bereisen. Es soll sehr schön dort sein.«
    »Ja, in der Tat«, erwiderte Beatrice. Und dann begann sie aus einer Laune heraus Abu Rayhan von Andalusien vorzuschwärmen. Glücklicherweise hatte sie vor ein paar Jahren eine mehrwöchige Urlaubsreise dorthin gemacht und sich Sevilla, Granada, Cordoba, Cadiz und die ganze andalusische Küste angesehen. Doch bereits während sie von der Schönheit des Löwenhofes in der Alhambra berichtete, fiel ihr ein, dass sie einen folgenschweren Fehler begangen haben könnte. Sie wusste zwar, dass der Stein sie in das Jahr 1017 oder 1018 geschickt hatte - so hatte sie es zumindest nach Yasminas Angaben errechnet -, doch ihr Wissen über die Geschichte Andalusiens war eher dürftig, und Jahreszahlen hatte sie sich noch nie merken können. Gab es den Löwenhof zu diesem Zeitpunkt schon? Existierte die Alhambra überhaupt, und wenn ja, welchen Namen hatten ihr die Araber gegeben? Oder hatten vielleicht gerade jene Kriege stattgefunden, in denen die Spanier die Mauren endgültig von der Iberischen Halbinsel vertrieben und beinahe alles in Schutt und Asche gelegt hatten, was nur auf irgendeine Weise maurisch aussah? Gab es überhaupt noch ein maurisches Andalusien?
    Mein Gott, Bea, dachte sie voller Entsetzen, warum musst du nur immer reden, ohne vorher gründlich nachzudenken? Doch dann fiel ihr ein, dass Maleks Vater gerade erst Teppiche von einer Karawane aus Andalusien erhalten hatte, dass Subuktakin sie sogar dorthin zurückschicken wollte, und sie entspannte sich wieder.
    Abu Rayhan sah sie fragend an. Zu spät merkte Beatrice, dass sie mitten im Satz abgebrochen hatte und nun den Faden nicht mehr wiederfand.
    »Und?«, fragte er. »Wie geht es weiter?«
    »Ach«, wehrte Beatrice ab und betete inständig zu Gott, dass sie wenigstens dieses eine Mal nicht rot werden würde. Wahrscheinlich vergeblich, denn ihre Ohrläppchen waren bereits heiß, als hätte man sie mit Chilipulver eingerieben. »Ich will Euch nicht mit meinen Geschichten langweilen. Ihr habt bestimmt viel zu tun. Eure Studien werden Euch doch sicher ...«
    »Aber nein!« Abu Rayhan lächelte. »Ihr vergesst, dass ich Chronist bin. Erzählungen von fremden Ländern und anderen Völkern interessieren mich immer.«
    »Nun, ich wollte nur ...«, stammelte Beatrice und kam sich dabei ziemlich albern vor. »Wisst Ihr, eigentlich kam ich zu Euch, weil der weise und gerechte Mahmud ibn Subuktakin mir empfohlen hat, mich an Euch zu wenden. Er sagte, Ihr würdet mich in die Gepflogenheiten bei Hof und in meine Aufgaben einweisen.«
    »Natürlich«, erwiderte Abu Rayhan und nickte. Doch er sah Beatrice dabei so seltsam an, dass sie plötzlich den Verdacht bekam, er hätte sie durchschaut. Vielleicht hatte sie tatsächlich einen schwerwiegenden Fehler begangen, als sie ihm so bereitwillig von Andalusien erzählt hatte. Er war schließlich Chronist. Unter Umständen kannte er Reiseberichte, die sich nicht mit ihrem deckten. Wie denn auch. Sie hatte ihm Andalusien so beschrieben, wie sie es während ihres Urlaubs im Sommer 1997 gesehen hatte. Und in fast tausend Jahren konnte sich sogar eine Landschaft deutlich verändern. »Ich werde Euren Wunsch erfüllen und Euch alles erklären, was Ihr wissen solltet, sofern Euch ein langer und erfüllender

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