Das Auge der Fatima
hindurch.
Der Rauch wurde immer dichter und schwärzer, und jetzt konnte Beatrice das Feuer auch riechen. Es war ein unangenehmer, durchdringender Geruch, beißend und widerwärtig, und sofort wusste sie, worum es sich handelte. Sie kannte diesen Gestank von der Notaufnahme und aus dem OP, wenn statt mit dem Skalpell mit dem elektrischen Messer gearbeitet wurde. Es war der Geruch von verbranntem Fleisch, der sich bei jedem, dessen Nase jemals damit konfrontiert wurde, für den Rest seines Lebens in den Gehirnwindungen festsetzte.
Die beiden Männer trugen zum Schutz gegen den Qualm Tücher vor Mund und Nase. Ob es Hirten waren, die gezwungen waren, ihre Tiere zu verbrennen, um die Ausbreitung einer Seuche zu verhindern? Doch Beatrice wusste, dass diese Vermutung nur ein Wunschdenken war, denn das, was sie zwischen den brennenden Zweigen sehen konnte, hatte keine Ähnlichkeit mit Tieren. Das konnte sie trotz der Entfernung deutlich erkennen. In diesem riesigen Feuer wurden ohne Zweifel die Überreste eines Menschen verbrannt. Gut, sie war natürlich kein Experte. Sie musste nicht gleich an das Schlimmste denken, an Mord und Verschwörung. Ebenso gut konnte es sich um eine Feuerbestattung handeln. Allerdings hatte sie gelesen, dass die Moslems ihre Toten in der Erde oder in Felsenhöhlen bestatteten. Von Verbrennungen hatte sie bislang nichts gehört. Also war sie doch Zeugin eines Verbrechens?
Bestürzt sank Beatrice auf den Boden und lehnte sich gegen die Mauer. Wer hier mitten in der Steppe, weitab von jedem Dorf, eine Leiche verbrannte, war gewiss nicht erfreut darüber, dabei beobachtet zu werden. Es war wohl besser, hier in dem Versteck zu bleiben, bis die beiden Männer fertig waren, und darauf zu hoffen, dass sie nicht über sie stolperten, wenn sie wieder nach Hause ritten. Wenn wenigstens das Pferd solange ruhig blieb.
Erschrocken fuhr Beatrice hoch. Mit einem Schlag war es dunkel geworden. Über ihr wimmelte es von Sternen, deutlich war die Milchstraße zu sehen. Das Pferd neben ihr schnaubte leise und stupste sie an der Schulter an, als wollte es sie drängen, nun endlich weiterzureiten. Sie rieb sich die Augen. Es war kaum zu glauben. Sie musste tatsächlich eingeschlafen sein - trotz der Gefahr, in der sie schwebte. Ob die Männer noch da waren? Vorsichtig erhob sie sich und spähte über die Mauer.
Der Scheiterhaufen war mittlerweile in sich zusammengesunken, schwach leuchtete die Glut in der Dunkelheit. Niemand schien mehr da zu sein, weit und breit war von den beiden Männern nichts zu sehen und zu hören - keine Pferde, kein Lagerfeuer, keine Stimmen, nichts.
Du kannst nicht bis zum Tagesanbruch hier bleiben. Du musst hier weg. Beatrice nahm all ihren Mut zusammen, ergriff die Zügel ihres Pferdes und führte es aus der Ruine hinaus. Eigentlich wäre es das Klügste gewesen, sich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen, einfach Richtung Norden über die Hügel zu reiten und zu vergessen, was sie hier gesehen hatte. Doch sie konnte nicht. Obwohl es sie ekelte und sie sich vorkam wie ein Mitglied der gaffenden, sensationslüsternen Meute, die sich zu einer Hinrichtung auf einem mittelalterlichen Marktplatz versammelt, wurde sie geradezu magisch von dem heruntergebrannten Scheiterhaufen angezogen.
Was willst du da eigentlich?, fragte sie sich, während sie sich der Feuerstelle näherte. Helfen kannst du dem armen Kerl ohnehin nicht mehr. Willst du unbedingt in der Glut herumstochern und die verkohlten Überreste von menschlichen Knochen sehen? Was hast du davon? Du solltest dich schämen.
Sie war nur noch wenige Meter von den Überresten des Feuers entfernt, als sie abrupt stehen blieb. Vor Angst wagte sie sich nicht zu rühren. Ganz offensichtlich hatte sie sich geirrt. Die beiden Männer waren keineswegs fort. Reglos standen sie am Feuer, kaum zehn Meter von ihr entfernt, und starrten in die Glut, als könnten sie aus der Asche die Zukunft ablesen.
Ach du Heiliger!, schimpfte Beatrice mit sich und blickte sich hastig nach einem Versteck um. Da siehst du mal, wohin dich deine Neugier gebracht hat, du dämliche Kuh.
Es gab kein Versteck. Hier war nichts außer der Ruine, die sie gerade verlassen hatte. Wenn sie dorthin zurücklief, würden die Männer sie ohne Zweifel entdecken. Es gab keinen
Ausweg. Es war vorbei. Sie war verloren. Hier war nun endgültig Schluss. Wer hätte gedacht, dass es sie mitten in der Steppe erwischen würde.
Beatrice malte sich bereits aus, wie die beiden
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