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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Geschichte das Kind seinen Traum vom Besuch von Beatrice vergessen ließ, so war das bestimmt nicht schlecht. Er konnte die Vorstellung nicht ertragen, Michelle den ganzen Tag vergeblich auf ihre Mutter warten zu sehen.
    »Also gut. Eine Geschichte. Kennst du schon die von der Prinzessin und dem Diamanten?«
    »Nein«, antwortete sie, und ihre blauen Augen strahlten erwartungsvoll.
    Und dann begann Ali zu erzählen.
    Doch Ali hatte sich getäuscht. Michelle vergaß ihren Traum keineswegs. Sie saßen beim Frühstück, Ali trank noch eine letzte Tasse Mokka, um seine Lebensgeister anzuregen, die in diesen frühen Morgenstunden immer ein wenig träge waren, als sie wieder davon anfing.
    »Können wir heute zum Mittagessen Kürbissuppe mit Fleischklößchen kochen?«
    Die Frage kam so überraschend, dass Ali fast die Tasse aus der Hand geglitten wäre.
    »Kürbissuppe mit Fleischklößchen? Wieso ...«
    »Es ist Mamas Lieblingsessen. Wenn sie kommt ...«
    Ali zuckte mit den Schultern. »Kürbis? Was ist das?«
    »Du kennst keinen Kürbis?«, fragte Michelle erstaunt. »Ein Kürbis ist so groß und ziemlich rund. Und er ist orange. Fast wie eine Melone. Aber anders.«
    Ali kratzte sich am Kopf. Eine orangefarbene Melone? Vielleicht gab es so eine Frucht in Michelles Heimat. Oder es war eine Errungenschaft der Zukunft. Er wusste jedenfalls nicht, woher er eine orangefarbene Melone nehmen sollte.
    »Wir können es versuchen. Aber ich weiß nicht, ob wir zu dieser Jahreszeit irgendwo auf dem Markt so einen ... Kürbis kaufen können. Ich werde gleich nach dem Frühstück mit der Köchin sprechen.«
    »Das ist doch kein Problem«, erwiderte Michelle und rutschte aufgeregt auf ihrem Sitzpolster hin und her. »Du rufst einfach die >Grüne Kiste< an und die bringen dann einen Kürbis.«
    Ali blieb der Mund offen stehen. Er hatte keine Ahnung, wovon dieses Kind sprach. Manchmal wurde es ihm geradezu schmerzhaft bewusst, dass sie aus einer fernen Zukunft stammte. Sie kannte viele Dinge, die ihm und all seinen Zeitgenossen fremd waren. Und manchmal fühlte er sich diesem Vorsprung nicht gewachsen.
    »Nun, wir werden sehen«, sagte er ausweichend, damit sie ihm seine Unsicherheit nicht anmerkte. »Mach dir jetzt nur keine Gedanken darüber. Ich werde gleich mit der Köchin sprechen, dann sehen wir weiter.«
    Und er widmete sich wieder seinem Mokka. Bis zum Mittagessen waren noch ein paar Stunden Zeit. Vielleicht würde Michelle bis dahin ihre fixe Idee von Beatrices Besuch vergessen haben. Allerdings hatte Ali keine großen Hoffnungen. Er kannte Michelle mittlerweile sehr gut. Wenn sich dieses kleine Mädchen erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war es ihm durch nichts und niemanden auszutreiben.
    Beatrice war noch vor Sonnenaufgang aufgebrochen. Sie hatte sich nicht einmal mehr die Zeit für ein Frühstück genommen. Alles kribbelte in ihr, sie war nervös und aufgeregt wie ein Kind am Heiligen Abend kurz vor der Bescherung. Der Karte nach zu urteilen musste sie nun bald Qazwin erreichen. Qazwin! Allein der Name der Stadt hatte einen verlockenden Klang.
    Nachdem sie etwa eine Stunde lang geritten war, erreichte sie einen Hügel. Sie zügelte das Pferd und stieg ab. Das Tier nutzte die Pause, um zu grasen, während sie selbst den Hügel hinaufging, um zu sehen, was auf der anderen Seite lag. Ihre Erwartungen, Träume und Hoffnungen wurden nicht enttäuscht. Parzival schaute nach langen, einsamen Wanderungen endlich den Heiligen Gral.
    In der Ebene vor ihr, höchstens fünf Kilometer entfernt, erkannte Beatrice die verschwommenen Umrisse einer Stadt. Die Mauern, Türme und Kuppeln verschmolzen fast mit ihrer Umgebung in dem frühmorgendlichen Dunst, der von den Feldern ringsumher aufstieg. Natürlich konnte es sich um eine Täuschung handeln, eine Luftspiegelung. Trotzdem war sie sicher, dass sie endlich ihr Ziel erreicht hatte. Nach zehn Tagen einsamen Ritts lag endlich die Stadt Qazwin vor ihr. Die Karte hatte Recht behalten. Gelobt sei Allah!
    Beatrice lief den Hügel so schnell wieder hinab, dass sie beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Sie schwang sich in den Sattel und trat dem Pferd kräftig in die Flanken. Sie wurde immer nervöser. Warum war sie nicht schon gestern Abend weitergeritten? Eine lächerliche Wegstunde hatte sie von der Stadt Qazwin getrennt. Wäre sie nicht so träge gewesen, sie wäre vermutlich in diesem Augenblick bereits bei Michelle. Doch dann zügelte sie das Pferd und verlangsamte das

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