Das Auge der Fatima
doch auf, du dummes Ding!«, fuhr die Frau sie an. Sie war korpulent, und ihr Gesicht war dunkelrot, vielleicht auch vor Zorn. Doch Beatrice hätte es nicht gewundert, wenn ihr Blutdruck eigentlich behandlungsbedürftig gewesen wäre. »Reicht es nicht aus, dass mir mein Herr schon Ärger macht, musst du mir auch noch dazwischentrampeln!«
»Verzeih«, erwiderte Beatrice spitz. Sie war jetzt nicht in der Stimmung für Diplomatie. »Ich habe dich nicht gesehen. Wer rechnet auf dem Basar auch damit, dass jemand seinen fetten Hintern den Leuten rücksichtslos in den Weg schiebt?«
»Das ist doch ...« Die Stimme der Frau überschlug sich fast. Sie sprang auf und schob die Ärmel von ihren gewaltigen Armen hoch. Unwillkürlich wich Beatrice einen Schritt zurück. Diese Frau war nicht einfach nur fett, sie war ohne Zweifel auch kräftig; eine Frau, die mit ihren Händen schwer arbeitete; eine Frau, die ohne Zweifel ein Dutzend lärmende Kinder in Schach halten und zur Not verprügeln konnte; eine Frau, mit der es selbst Männer nicht ohne weiteres aufnehmen würden. Es war klar, sie war einen Schritt zu weit gegangen. Hoffentlich konnte sie das noch rechtzeitig ausbügeln, bevor sie in eine Schlägerei mit dieser Matrone verwickelt und den Kürzeren ziehen würde.
»Entschuldige«, sagte Beatrice und versuchte freundlich und versöhnlich zu klingen. »Ich wollte dich nicht beleidigen. Ich habe dich nur überhaupt nicht gesehen. Vielleicht kann ich dir meinen guten Willen beweisen, indem ich deinen Einkauf bezahle und dir beim Nachhausetragen behilflich bin? Ich habe ein Pferd dabei.«
Die Frau starrte sie einen Augenblick finster an, dann glätteten sich die Zornesfalten auf ihrer Stirn. Schließlich nickte sie.
»Einverstanden.«
Beatrice bezahlte und lud einen Sack auf ihr Pferd. Er war erstaunlich klein und leicht, verglichen mit der Summe, die sie dem Gemüsehändler gegeben hatte. Was hatte die Alte wohl gekauft? Trüffel?
»Verzeih mir, dass ich so barsch gewesen bin«, sagte die Frau, nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander hergegangen waren. »Aber heute ist ein Tag ...« Sie schüttelte den Kopf, seufzte schwer und rieb sich ihr Kreuz, als hätte sie Rückenschmerzen. Bei ihrem Übergewicht eigentlich auch kein Wunder. Dem watschelnden Gang nach zu urteilen litt sie außerdem an einer Arthrose der Knie- und Hüftgelenke.
»Ja, solche Tage gibt es«, stimmte Beatrice aus vollem Herzen zu. Wenn sie sich auch nicht vorstellen konnte, was schlimmer war, als auf der Suche nach der eigenen Tochter vielleicht zehn Tage lang in die falsche Richtung geritten zu sein.
»Stell dir vor, was mein Herr heute früh von mir verlangt hat«, erzählte die Frau weiter. »Er wünscht zum Mittagsmahl eine Suppe aus orangefarbenen Melonen vorgesetzt zu bekommen! Ich habe dreimal nachgefragt, ob ich ihn falsch verstanden habe und er vielleicht etwas anderes meint. Doch nein, es sollen Melonen sein. Jetzt! Und noch dazu orangefarbene. Seit den frühen Morgenstunden bin ich nun schon auf den Beinen und laufe kreuz und quer durch die Stadt, um endlich einen Händler zu finden, der zu dieser Zeit Melonen verkauft. Und dann hat dieser Wucherer, dieser Gauner und Halsabschneider für diese drei lächerlich kleinen Dinger, die kaum größer sind als eine Männerfaust, ein halbes Königreich verlangt!« Sie klopfte entrüstet auf den Sack. »Und schmecken werden sie gewiss nicht. Sie sind innen bestimmt noch grün und hart. Und außerdem sind sie gelb. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich daraus eine schmackhafte Suppe mit Fleisch kochen soll.« Sie seufzte wieder und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich bin Köchin, musst du wissen. Und eigentlich diene ich meinem Herrn sogar gerne. Er ist ein recht vernünftiger Mann. Er hat zwar seltsame Gewohnheiten, ist oft bis spät in die Nacht hinein wach und wünscht dann noch ein kaltes Mahl. Vor einiger Zeit hatte er sogar mitten in der Nacht einen Gast, den ich noch bekochen musste, und gegessen haben die Herrschaften dann doch nichts mehr. Aber das ist bei Gelehrten wohl oft so. Sie sind unberechenbar und seltsam in ihren Gewohnheiten und Wünschen - habe ich mir sagen lassen. Aber sonst ist er ein wahrlich gütiger Herr. Er ist großzügig. Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen. Doch das ...« Sie schüttelte erneut den Kopf. »Melonensuppe! Männer haben manchmal seltsame Vorstellungen. Und vermutlich wird sie dem Kind noch nicht einmal schmecken.«
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