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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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strahlenden Lächeln war. Und endlich wich auch die Erstarrung von ihr. Michelle! Doch erst als sie das Mädchen umarmte, den kleinen warmen Körper spürte und das weiche Haar streichelte, begann sie daran zu glauben, dass dies kein Traum war. Dass sie aller widrigen Umstände zum Trotz wirklich und wahrhaftig ihre Tochter gefunden hatte.
    »Du warst lange weg«, sagte Michelle und runzelte unwillig die Stirn, als hätte sich Beatrice lediglich von der Arbeit verspätet. Dann befreite sie sich aus ihren Armen und zog an ihrer Hand. »Komm, Mama. Ali wartet schon auf dich.«
    Ali! Beatrice wischte sich die Tränen von den Wangen. Sie brachte keinen Ton heraus.
    »Warum weinst du, Mama?«, fragte Michelle und blickte sie so überrascht an, als wäre es das erste Mal, dass sie Tränen sah. »Bist du traurig?«
    »Nein, Kleines«, antwortete sie mit heiserer Stimme. »Manchmal weint man auch, weil man sich so sehr freut. Und ich freue mich, dass ich dich endlich wiederhabe.« Sie versuchte erneut ihre Tränen zu trocknen. Der Ärmel ihres Reisegewands war bereits völlig durchnässt, sodass sie den anderen nehmen musste.
    »Nun komm endlich!«, sagte Michelle und zog so ungeduldig an Beatrices Hand und Arm, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor. »Ali wartet auf dich. Komm schon!«
    Beatrice gab nach. Sie ließ sich von dem Kind quer durch den Innenhof ziehen, in das Haus hinein, eine Treppe hinauf, einen Gang entlang, eine andere Treppe hinunter und wieder einen Gang entlang. Vor einer schlichten Tür aus dunklem poliertem Holz hielt Michelle schließlich an.
    »Das ist sein Arbeitszimmer«, erklärte sie Beatrice.
    »Michelle, wenn Ali jetzt arbeitet, dürfen wir ihn nicht stören.«
    »Doch«, erwiderte Michelle so würdevoll, wie es nur kleine Kinder vermögen. »Wenn etwas Wichtiges geschehen ist.« Dann wandte sie sich der Tür zu und klopfte.
    »Es ist überhaupt nicht besser geworden«, sagte der Muezzin und klang beinahe beleidigt. »Mein Hals schmerzt immer noch.«
    Ali hörte ihm aufmerksam zu, doch in seinem Innern brodelte es. Wenn das stimmte, wenn der Alte immer noch dieselben Halsschmerzen haben sollte wie am Anfang, wenn die von ihm verordnete Tinktur wirkungslos gewesen ist, weshalb war er nicht schon eher zu ihm gekommen, sondern hatte fast zwei Monate mit seinem Besuch gewartet? Natürlich hätte er den Muezzin danach fragen können, doch er schwieg. Es gab Fragen, die durfte man als Mensch stellen, einem Arzt jedoch waren sie verboten.
    »Außerdem ist meine Stimme nicht mehr dieselbe wie früher. Ich bin heiser und krächze nur noch wie eine Krähe.«
    Schmerzen mochte der Alte noch haben, doch diesen Vorwurf konnte Ali nicht nachvollziehen. Seit mehreren Wochen konnte er sich jeden Tag fünfmal davon überzeugen, dass mit der Stimme des Alten alles in Ordnung war. Wer so laut zu singen vermochte, dass es in der ganzen Stadt zu hören war, der war gewiss nicht heiser. Doch wieder hielt Ali seinen Mund und nickte nur.
    »Ich werde Euch erneut untersuchen müssen«, sagte Ali, holte seine Instrumente aus einem Holzkasten und breitete sie auf einem sauberen Leinentuch vor dem Alten aus. »Öffnet bitte Euren Mund.«
    Wie er es erwartet hatte, konnte er im Mund und Rachen des Muezzin nichts finden, das auf eine Entzündung oder gar Geschwulst hingedeutet hätte. Trotzdem untersuchte er den Mann gewissenhaft. Es gab Patienten, denen gegenüber man sich nicht die kleinste Nachlässigkeit erlauben durfte, wenn man es nicht auf eine unerfreuliche Begegnung mit dem Richter abgesehen hatte. Und erst, als er alle medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft und alle bekannten Symptome und Krankheiten in Gedanken geprüft und wieder verworfen hatte, legte er die Instrumente in die Schale und sah den Muezzin an.
    »Ich kann nichts entdecken, das Eure Beschwerden erklärt«, sagte er nach einer Weile. »In eurem Rachen finde ich weder eine Schwellung noch eine Rötung.«
    »Und trotzdem muss ich ständig husten«, erwiderte der Muezzin und räusperte sich, um Ali zu zeigen, wie schlecht es ihm doch ging.
    »Ich vermute, dass es sich um eine leichte Reizung handelt, eine Folge der Entzündung, die Ihr lange Zeit nicht beachtet und behandelt habt. Unangenehm, aber völlig harmlos.«
    »Ihr vermutet, aber wissen könnt Ihr es nicht?«
    Ali biss die Zähne zusammen und zählte stumm bis zehn. Es gab Tage, an denen er sich fragte, weshalb er jemals die blödsinnige Idee gehabt hatte, Arzt werden zu wollen. Am

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