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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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einmal, damit ich tatsächlich glauben kann, dass du jetzt, in diesem Moment, vor mir stehst. Sag es noch einmal, diese süßen Worte, im Vergleich zu denen selbst die Verheißungen des Paradieses nichts waren als dröhnendes Erz und lärmende Pauken - »Wir wollten dich nicht stören.«
    Dann wandte sie sich ab, die Tür drohte sich zu schließen, und endlich, bevor es zu spät war, löste sich Alis Zunge wieder aus ihrer Erstarrung.
    »Nein! Bleib. Ich ...« Er konnte nichts mehr sagen. Er lief ihr entgegen und blieb wieder stehen, mittlerweile nur noch zwei Schritte von ihr entfernt. »Du bist wirklich da.«
    Er kam sich vor wie ein Dummkopf. Kaum zu glauben, dass er mehrere Sprachen in Wort und Schrift beherrschte, die Werke aller Gelehrten gelesen hatte und selbst Bücher ver- fasste. Er hatte diese Frau, die er über alles liebte, siebzehn Jahre lang nicht gesehen. Nun stand sie endlich vor ihm. Und das Erste, was er ihr zu sagen hatte, war: »Du bist wirklich da.«
    Hinter seinem Rücken räusperte sich und hüstelte jemand, und erst in diesem Augenblick erinnerte Ali sich wieder daran, dass er nicht allein in seinem Arbeitszimmer war.
    »Verzeiht meine Unaufmerksamkeit«, sagte er und wandte sich an den alten Mann. Die Worte kamen glatt und freundlich über seine Lippen. Er war eben geübt darin, seine wahren Gefühle zu verbergen. Doch in seinem Innern zitterte er und bebte, als hätte er gerade eine göttliche Erscheinung gesehen. »Darf ich vorstellen? Das ist meine Frau.«
    Der Muezzin warf Ali einen kurzen Blick zu, betrachtete dann Beatrice von Kopf bis Fuß, um wieder Ali anzusehen - streng, verärgert, erbost.
    »So«, sagte er nur.
    Und im gleichen Moment fiel Ali ein, dass es wohl kaum zwei Monate her war, als er diesem Mann hier erzählt hatte, dass seine Frau, die Mutter seiner Tochter, gestorben sei. Und eben jene Frau stand just in diesem Augenblick gesund und quicklebendig vor ihnen. Ali schluckte. Dieser Fehler würde gewiss nicht ohne Folgen bleiben. Doch dann schüttelte er den Kopf, schüttelte die Sorgen ab wie ein Hund, der ins Wasser gefallen war. »Carpe diem« hatten die Römer gesagt. Genieße den Tag. Lebe das Heute. Morgen ist erst morgen. Und über die Zukunft kannst du dir dann Gedanken machen, wenn es so weit ist. Genieße den Augenblick, bevor er dir wieder entgleitet und sich am Ende doch als Traumgebilde, als Hirngespinst entpuppt.
    »Verzeiht meine Unhöflichkeit«, sagte er zum Muezzin, obwohl er wusste, dass es nichts als leeres Geschwätz war, Verschwendung von Atemluft. Der Muezzin würde ihm niemals verzeihen. Und er selbst brauchte keine Vergebung von diesem harten, humorlosen und engstirnigen Mann, den er weder seiner Person noch seines Amtes wegen schätzte. »Ich möchte Euch bitten, jetzt zu gehen. Meine Frau und ich waren lange Zeit voneinander getrennt.«
    »Natürlich«, erwiderte der Muezzin und wich Alis Blick aus. »Die Liebe bahnt sich ihren Weg und überwindet alles, was ihr hinderlich sein könnte. Ich verstehe Euch.«
    Er senkte seine Stimme zu einem vertrauensvollen Ton und klopfte Ali auf die Schulter, wie die Freunde eines jungen Bräutigams es zu tun pflegen, bevor die Hochzeitsnacht beginnt. Doch das Gesicht des Alten war nichts als eine grinsende Fratze, verzerrt vor Wut und Neid. Er sah Beatrice noch einmal an, als wollte er sich jede Einzelheit ihrer Erscheinung genau einprägen, dann ging er hoch erhobenen Hauptes davon.
    »Ich hoffe, du bekommst jetzt meinetwegen keinen Ärger«, sagte Beatrice und sah dem Alten nach.
    Ali zuckte gleichmütig mit den Schultern. Er fühlte sich frei und leicht. Er hätte fliegen können, wenn er nur gewollt hätte. Niemand konnte ihm in diesem Augenblick etwas anhaben - wenigstens kein Sterblicher.
    »Keine Sorge, das war nur der Muezzin«, sagte er leichthin, »ein unangenehmer, aber harmloser Kerl, ähnlich wie die Halsentzündung, wegen der ich ihn vor ein paar Wochen behandelt habe. Der kann mir bestimmt nicht gefährlich werden.«
    »Vielleicht hast du Recht«, entgegnete Beatrice, doch ihr Gesicht war geradezu erschreckend ernst. »Trotzdem solltest du vorsichtiger sein. Du bist in Gefahr. Und Menschen wie dieser Muezzin könnten ...«
    »Ich weiß.« Natürlich hatte sie Recht. Doch er wollte es nicht hören. Wenigstens nicht jetzt. Es gab Momente, in denen man einfach die Augen und Ohren vor der Wahrheit und ihren Grausamkeiten verschließen musste. Carpe diem.
    Verzeih mir, Saddin. Verzeih, dass ich alle

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