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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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noch nicht entschieden, ob sie gegeneinander kämpfen würden. Ali versuchte Saddins forschendem Blick standzuhalten. Trotzdem war er erleichtert, als endlich ein Diener mit einem Krug herbeieilte und ihnen Wasser in zwei Becher einschenkte.
    Während Saddin den Becher nahm und trank, ließ Ali ihn nicht aus den Augen. In den vergangenen Jahren hatte er immer wieder an ihn gedacht. Er hatte versucht sich vorzustellen, was aus dem Nomaden geworden war. Er hatte sich dabei ausgemalt, dass er durch unsteten Lebenswandel fett und hässlich geworden war, mit schütteren, glanzlosen Haaren, schlechter, fleckiger Haut, einem teigigen Gesicht und einem Mund voller Zahnlücken. In Wirklichkeit jedoch hatte sich Saddin kaum verändert. Sein schwarzes, im Nacken zusammengebundenes Haar war immer noch genauso voll und dicht, sein glatt rasiertes Gesicht war ebenso schön wie bei ihrer letzten Begegnung. Seine Hände wie auch seine Gestalt waren schlank und seine Bewegungen so geschmeidig, als wäre seit damals keine Zeit verstrichen. Vielleicht stand Saddin ja unter dem Zauber eines Dämons, der ihm zu ewiger Jugend verhalf? Doch beim näheren Hinsehen merkte Ali, dass auch an Saddin das Alter seine Spuren hinterlassen hatte. Sein schwarzes Haar war von silbernen Fäden durchwirkt, und feine Linien zogen sich um seinen Mund und seine schönen dunklen Augen. Die Erkenntnis traf Ali wie ein schmerzhafter Faustschlag in den Bauch. Während er selbst alt geworden war und langsam, aber sicher den unausweichlichen Verfall seines Körpers spürte, machte den Nomaden das voranschreitende Alter nur noch attraktiver. Natürlich, er hätte es wissen müssen. Luzifer sorgte für seine Söhne.
    »Verzeih mir meine Unhöflichkeit«, sagte Ali schließlich und wandte den Blick ab. Er wollte nicht, dass Saddin seine Eifersucht bemerkte. »Ich sollte dich wohl freudiger begrüßen, dich unterhalten und sogleich mit dir ein Gespräch über die vergangenen Jahre beginnen, so wie es eben unter Männern üblich ist, die sich gut gekannt und lange nicht gesehen haben.« Er holte tief Luft. »Doch es tut mir Leid, ich bin noch viel zu überrascht über deinen unerwarteten Besuch, um allen Regeln der Höflichkeit und Gastfreundschaft gerecht zu werden.«
    Saddin schüttelte den Kopf und lächelte. Seine makellosen Zähne schimmerten wie weiße Perlen, und Ali spürte, wie nicht einmal er sich dem Charme und dem Zauber dieses Mannes entziehen konnte. Dabei hatte er wohl mehr Gründe, Saddin zu hassen, als jeder andere Mensch auf der Welt. In der Tat, der Nomade war in den vergangenen Jahren noch gefährlicher geworden.
    »Glaube mir, Ali, du hast mir bereits jetzt mehr Höflichkeit und Gastfreundschaft erwiesen, als ich jemals erwartet habe«, sagte er mit seiner samtenen Stimme. »Wir waren nicht gerade Freunde, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
    Welch wahres Wort!, dachte Ali. Tatsächlich hatte er Saddin damals nichts weniger als den Tod gewünscht. Und wäre Beatrice nicht gewesen, er hätte ihn bestimmt einfach krepieren lassen.
    »Aber wir waren ehrlich zueinander«, fuhr der Nomade fort. »Eine Eigenschaft, die ich über alles schätze. Außerdem sind wir keine Jünglinge mehr. Wir werden weder Floskeln noch Regeln brauchen. Schließlich weiß jeder von uns, wo der andere steht.«
    Ali nickte. Saddin wollte also, dass sie ganz offen miteinander sprachen, ohne den Mantel der Höflichkeit, den der Koran als Zeichen der Gastfreundschaft von den Gläubigen forderte. Und das konnte nur bedeuten, dass er nicht vorhatte, ihn zu töten. Wenigstens nicht heute Abend.
    »Nun gut, keine höflichen Phrasen mehr. Weshalb bist du hier, Saddin?«, fragte er und sah den Nomaden forschend an. »Warum kommst du ausgerechnet zu mir? Geht es um das Mädchen?«
    Saddin neigte den Kopf.
    »Ist sie deine Tochter?«, fragte Ali barsch und goss sich erneut Wasser ein. Mit einem Mal verspürte er das dringende Bedürfnis zu trinken, viel zu trinken. Vermutlich würde er an diesem Abend einen ganzen Krug allein leeren. Und doch würde das Wasser aller der Stadt Qazwin zur Verfügung stehenden Brunnen wahrscheinlich nicht ausreichen, um jenes Feuer zu löschen, das in ihm brannte; diese schmerzhafte Erinnerung, die bereits den ganzen Tag in ihm geschwelt hatte und durch Saddins unwillkommenes Auftauchen zu einem Inferno entfacht worden war. »Braucht sie die Hilfe eines Arztes? Wenn dies der Fall ist, warum hast du nicht jemand anderen aufgesucht? Es gibt hunderte

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