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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Messingspatel, an dessen Ende ein kleiner runder Spiegel befestigt war. Dieses Instrument hatte er nach Beatrices Anweisungen anfertigen lassen.
    Beatrice. Jedes Mal spürte Ali einen schmerzhaften Stich, wenn er an die wunderschöne Zeit zurückdachte, in der er gemeinsam mit ihr seiner Arbeit nachgegangen war; als sie nächtelang über Medizin und Philosophie diskutiert hatten, wie er es nie zuvor hatte tun können, auch mit keinem Mann, den er kannte; als sie sich gegenseitig ihre Künste gelehrt hatten.
    Der Muezzin sah ihn mit gerunzelter Stirn an.
    »Was tut Ihr da?«, fragte er, und seine heisere Stimme hatte einen so vorwurfsvollen Klang, als hätte Ali ein Symbol der Christen oder etwas noch Schlimmeres aus seiner Schublade hervorgeholt.
    »Sofern Ihr es gestattet, werde ich Euch in den Mund schauen«, erklärte Ali, obwohl es ihm schwer fiel, weiterhin höflich zu bleiben. Nichts auf dieser Welt hasste er mehr als Intoleranz, gepaart mit Rückständigkeit. »Sollte eine Krankheit Euch dort befallen haben, kann ich es sehen. Der kundige Arzt kann die Zeichen lesen, die Allah in Seiner Güte und Weisheit hinterlassen hat«, fügte er noch hinzu, um seinen tiefreligiösen Patienten davon zu überzeugen, dass er weder vorhatte ihn zu ermorden noch seine unsterbliche Seele in die ewige Verdammnis zu schicken.
    Allerdings schien der Muezzin keinesfalls überzeugt zu sein. Er bedachte den Spiegel mit einem finsteren Blick.
    »Und was ist das da?«, krächzte er.
    »Mein Instrument. Wenn Ihr jetzt bitte Euren Mund öffnen würdet. Bedenkt, je schneller ich die Ursache Eures Leidens finde, umso schneller werde ich Euch von dieser Krankheit befreien können. Und umso schneller könnt Ihr Euren heiligen Dienst für Allah und Seine Gläubigen wieder aufnehmen.«
    Dieses Argument schien nun endlich zu greifen. Trotzdem fügte sich der Muezzin nur mit deutlichem Widerwillen Alis Anweisungen.
    Vermutlich wird er den Rest des Tages mit rituellen Waschungen und Gebeten verbringen, um sich von diesem Erlebnis zu reinigen, dachte Ali, während er dem Muezzin in den Mund schaute.
    Dank des Spiegels reichte das Licht der Lampe aus, um die ganze Mundhöhle optimal auszuleuchten. Und tatsächlich hatten auch diesmal die kleinen Knoten am Unterkiefer Recht behalten - der Übergang zum Schlund war hochrot und geschwollen. Ali zog sein Instrument wieder zurück und warf es zur Reinigung in eine Schüssel.
    »Ihr habt tatsächlich das, was ich eine Halsentzündung nenne. Aber zum Glück habe ich eine sehr gut wirkende Arznei, die schon bald Eure Beschwerden lindern wird.«
    Er stand auf und ging zu dem Schrank, in dem er die Arzneien aufbewahrte - hunderte von Säcken mit Kräutern aus aller Welt, große Töpfe mit Salben, Flaschen mit den unterschiedlichsten Tinkturen und Ölen. Und natürlich kleine Beutel, Tiegel und Phiolen, um die kostbaren Arzneien für seine Patienten abzufüllen. Unter dem immer noch feindseligen Blick des Muezzins holte er eine große Flasche hervor und goss etwas von der dunkelbraunen Flüssigkeit in eine Phiole. Dann verschloss er diese sorgfältig mit einem Korken.
    »Gebt dreimal am Tag einen Tropfen dieser Tinktur in einen Becher mit Wasser und spült Euren Mund damit aus. Und in wenigen Tagen wird Euch Euer Leiden nicht mehr plagen.«
    Der Muezzin nahm die Flasche und starrte sie so finster an, als würde er vermuten, dass sich darin Gift befand.
    »Was ist das?«
    »Ein Elixier, hergestellt aus Salbei, Myrrhe und Thymian«, antwortete Ali. Den Alkohol, den er stets bei der Zubereitung seiner Tinkturen verwendete, verschwieg er. Den Gläubigen war der Genuss von berauschenden Getränken verboten. So stand es im Koran. Und die wahren Gläubigen, zu denen ohne Zweifel auch der Mann ihm gegenüber gehörte, machten nie und unter gar keinen Umständen eine Ausnahme. Nicht einmal, wenn es sich um eine alkoholhaltige Arznei handelte und ein einziger Tropfen davon ausreichen würde, ihr Leben zu retten. »Diese Mischung wird sehr erfolgreich bei der Behandlung von Halsentzündungen verwendet.«
    »So.« Der Muezzin hielt die kleine Phiole gegen das Sonnenlicht, das durch das offene Fenster hereinflutete, so als würde er erwarten, darin einen Geist zu entdecken. »Was sagtet Ihr? Myrrhe, Salbei und Thymian?«
    »Ja. Drei vortreffliche Kräuter, die Allah den Gläubigen in Seiner unendlichen Güte und Weisheit geschenkt hat, um ihre Leiden zu lindern.«
    Ali setzte ein freundliches Lächeln auf, doch in seinem

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