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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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ist.«
    »Ja, ja, natürlich, ich wollte nur ...«
    »Ich wäre dir dankbar, wenn ich jetzt ein Pferd bekommen könnte. Assim braucht Platz und Ruhe in der Sänfte, und ich habe nicht die Absicht, den Rest des Weges nebenherzulaufen.«
    Maleks Gesicht übergoss sich mit Röte.
    »Natürlich. Du wirst sogleich eines der besten Pferde zugewiesen bekommen.« Bevor er ging, drückte er ihr wieder die Hand und führte sie zu seiner Stirn. Eine ehrfürchtige Geste, wie Beatrice sie bisher nur von Enkeln ihren Großeltern oder Schülern ihren Lehrern gegenüber gesehen hatte. »Ich danke dir, Sekireh. Allah möge dich und deine Nachkommen segnen.«
    »Malek!«, rief Beatrice ihm nach. Er blieb stehen und warf ihr einen überraschten, fragenden Blick zu. »Mein richtiger Name ist Beatrice.«

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    9.
    A li al-Hussein stand auf der Plattform seines Turms und betrachtete die Sterne durch sein Fernrohr. Es herrschten ideale Bedingungen in dieser Nacht. Die Stadt war still und friedlich. Die feierlichen Umzüge zum Ende des Ramadan mit den lärmenden, trommelschlagenden Menschenmassen und den von hunderten von Fackeln und Laternen taghell erleuchteten Straßen waren endlich vorüber. Wegen des Festes hatte Ali drei Nächte lang die Sterne nicht beobachten können. An diesem Abend jedoch waren die Fackeln in den Straßen schon recht früh niedergebrannt, und der schwache Lichtschein der Wachfeuer von der nahe gelegenen Palastmauer störte ihn nicht. Endlich hatte er wieder eine freie, ungetrübte Sicht auf den sternklaren Himmel. Und trotzdem fand er es nicht, jenes rätselhafte Sternbild mit der Form eines Auges. Dieses große strahlende Auge hatte direkt über seinem Turm gestanden - an jenem Abend, als Saddin Michelle zu ihm ins Haus gebracht hatte. Seit jenem Abend stieg er Nacht für Nacht seinen Turm hinauf und suchte den Himmel danach ab. Er sah durch die schmale Mündung des Fernrohrs, bis seine Augen vor Anstrengung und Müdigkeit brannten - vergeblich.
    Er kam nicht mehr zur Ruhe, konnte kaum noch schlafen. Dabei war er sich mittlerweile nicht einmal mehr sicher, ob es dieses Sternbild überhaupt gab, ob er es wirklich gesehen hatte. Sein Verstand sagte ihm, dass es wahrscheinlich nichts als ein Trugbild gewesen sei. Eine Erscheinung ähnlich denen, die Reisende manchmal in der flirrenden Hitze der Wüste überfielen, hervorgerufen durch seine von den Ereignissen jenes Abends aufgewühlten Gedanken und Gefühle. Und dennoch - ein Teil von ihm glaubte fest an die Existenz dieses Sternbilds und wollte es finden, um jeden Preis. Der Anblick des großen strahlenden Auges war so außerordentlich tröstend gewesen. So als hätte es ihm ein Versprechen gemacht. Das Versprechen, ihm endlich jenen Frieden zu geben, nach dem er sich so sehnte.
    Mittlerweile begannen am Horizont die ersten Sterne zu verblassen. Bald würde die Sonne aufgehen. Es hatte keinen Zweck, den Himmel heute noch länger abzusuchen. Wahrscheinlich war es sogar klüger, die Suche ganz abzubrechen. Das Sternbild war fort. Weggewischt, als wäre es nicht viel mehr als ein paar Kreidestriche gewesen, die ein Riese an das tiefschwarze Firmament gemalt hätte. Falls es überhaupt jemals da oben gewesen war.
    Ali begann sein Fernrohr abzubauen. Und noch während er die Linsen aus dem blank polierten Messingrohr nahm, wusste er bereits, dass er seinen Vorsatz nicht durchhalten würde. In der kommenden Nacht würde er wieder hier oben stehen und den Himmel absuchen, voller Hoffnung, dass er diesmal Erfolg haben würde. Sorgsam putzte er die kostbaren Linsen mit einem weichen Baumwolltuch, wickelte sie in feinen indischen Samt und legte sie neben das Messingrohr in den Holzkasten zurück. Wenn es nur jemanden gegeben hätte, den er nach dem Sternbild hätte fragen können. Aber es gab niemanden. In Qazwin arbeiteten keine Astronomen. Der Emir lehnte diese Wissenschaft vermutlich aus religiösen Gründen ab und hatte alle Gelehrten aus der Stadt vertrieben, die sich mit den Sternen beschäftigten. Und die wenigen Sternenkarten, die er selbst besaß, konnten Ali auch nicht weiterhelfen. Er hatte zwar den Buchhändlern den Auftrag gegeben, für ihn nach weiteren Sternenkarten zu suchen, doch bislang ohne Erfolg. Außerdem war dies eine überaus heikle Sache. Wenn er nicht vorsichtig war, würden bald die ersten Gerüchte über ihn im Zusammenhang mit Hexerei und dunkle Künste laut werden, und dann würde es nicht mehr lange dauern, dann würde er auch

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