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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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junge Jude sehr wohl wusste, wen er vor sich hatte. Und trotzdem wollte dieser Bengel, dieser nichtsnutzige Grünschnabel, der noch nicht einmal alt genug war, um einen richtigen Bart zu tragen, ihn abweisen. Ihn, Ali al-Hussein ibn Abdallah ibn Sina. Das war ein starkes Stück. Er dachte nicht im Traum daran, sich nach Hause schicken zu lassen, als wäre er nichts weiter als ein verlauster Bettler, der an die Tür geklopft hatte, weil er um ein paar jämmerliche Speisereste und ein Almosen bitten wollte.
    »Nein«, sagte er grimmig und stellte seinen rechten Fuß in die Tür, die sich bereits vor seiner Nase zu schließen drohte. »Ich habe nicht den beschwerlichen Weg mitten in der Nacht auf mich genommen, um jetzt unverrichteter Dinge wieder umzukehren. Falls also Moshe Ben Levi verhindert ist, so wäre ich auch damit zufrieden, mit Rabbi Moshe Ben Maimon ein paar Worte zu wechseln.«
    Der junge Mann starrte ihn noch finsterer an als zuvor, und Ali machte sich bereit, sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen die Tür zu werfen. Er würde heute noch mit diesem Juden reden, und wenn er sich den Zutritt zu seinem Haus erst mit seinen Fäusten erkämpfen musste.
    »Ich fürchte, jemand hat Euch eine falsche Auskunft gegeben«, sagte der junge Mann barsch. Doch Ali spürte, dass er unsicher geworden war. Er konnte die plötzliche Nervosität des jungen Mannes vor ihm fast riechen. »Hier wohnt kein Rabbi, sondern nur der Ölhändler Moshe Ben Levi. Es steht auch dort auf dem Schild, wie Ihr seht. Den Namen, den Ihr eben genannt habt, habe ich noch nie zuvor gehört. Selbstverständlich steht es Euch frei, in den Häusern unserer Nachbarn nachzufragen. Allerdings glaube ich nicht, dass einer von ihnen diesen Rabbi kennt, den Ihr sucht. Ihr müsst Euch irren. Es kann gar nicht anders sein.«
    Ali kochte vor Wut. Er spürte das dringende Verlangen, dem Juden seine Faust ins Gesicht zu schmettern. Natürlich kannte der Kerl Moshe Ben Maimon. Saddin hatte den Namen genannt, und er hatte keinen Grund, an den Worten des Nomaden zu zweifeln.
    »Tatsächlich?«, sagte er spöttisch. »Ich weiß, dass ich mich nicht irre. In diesem Haus wohnt Rabbi Moshe Ben Maimon. Und ich will ihn sprechen. Also geh jetzt zu deinem Rabbi und richte ihm aus, dass Ali al-Hussein ibn Abdallah ibn Sina auf ihn wartet. Und«, er lächelte grimmig, als ihm Saddins Worte wieder einfielen, »sollte sich auch dein Meister nicht mehr an seinen wahren Namen erinnern können, so richte ihm aus, dass Saddin mich schickt. Vielleicht wird das seinem Gedächtnis wieder auf die Beine helfen.«
    Von einem Augenblick zum nächsten war der finstere Ausdruck vom Gesicht des jungen Mannes wie weggewischt, und er lächelte so freundlich, als hätte er in Ali plötzlich einen lange verschollen geglaubten Verwandten oder geliebten Freund aus Kindertagen erkannt.
    »Das hättet Ihr gleich sagen sollen, Herr«, erwiderte er und verneigte sich. Dann machte er einen Schritt zur Seite. »Bitte, tretet ein, Ali al-Hussein ibn Abdallah ibn Sina. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt?«
    Und ehe Ali sich's versah, betrat er das Haus, das ihm bis zu diesem Augenblick besser verschlossen und bewacht zu sein schien als der Palast des Emirs von Qazwin. Er wurde in einen sehr geschmackvoll ausgestatteten Raum geführt. Der junge Mann deutete auf ein paar Sitzpolster.
    »Nehmt bitte Platz und stärkt Euch. Ich werde dem Rabbi sogleich Eure Ankunft melden.«
    Dann verschwand er. Ali ließ sich erleichtert und verwirrt zugleich auf einem der Polster nieder. Er verstand immer noch nicht. Was hatte er gesagt, dass der Gehilfe plötzlich so zuvorkommend und freundlich war? Es kam ihm fast so vor wie in einer der Geschichten der Märchenerzähler auf dem Basar - kaum hatte er das geheime Zauberwort ausgesprochen, hatte sich auch schon der Fels zur Seite bewegt und den Eingang zur Schatzhöhle freigegeben. War es wirklich allein der Erwähnung von Saddins Namen zu verdanken, dass er vom unerwünschten Eindringling und Bittsteller zum geschätzten Gast emporgestiegen war? Zählte der Name des Nomaden mehr als der von Ali al-Hussein ibn Abdallah ibn Sina, dessen Ruf als geschickter und erfahrener Arzt mittlerweile sogar bis nach Bagdad reichte? Ali spürte einen schmerzhaften Stich in seiner Brust. Er kannte diesen Schmerz. Es war Eifersucht. Jene quälende, bohrende Eifersucht, die er stets dem Nomaden gegenüber empfunden hatte. Und nicht einmal die Tatsache, dass Saddin tot war, hatte ihn

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