Das Auge der Ueberwelt
wo unsere Gefährten sind. Dort wird es uns vielleicht gelingen, die Tragtiere einzufangen, unsere Vorräte zu ergänzen und die Wüste zu durchqueren, um wieder nach Erze Damath zu gelangen.«
Garstang zögerte. »Dieser Vorschlag hat vieles für sich, doch ...«
»Ein Boot!« rief Cugel und zeigte auf den See hinaus, wo hinter einem niedrigen Vorgebirge südlich von ihrem Standort ein Fischerboot in Sicht gekommen war. »Wo ein Fischerboot ist, muß auch ein Dorf in der Nähe sein«, sagte Cugel. »Vorwärts, vielleicht sind wir unserem Ziel nahe!«
»Ausgezeichnet!« sagte Garstang. »Diese Leute mögen Gilfigiten und Mitbrüder sein, die den Tempel und die heilige Stätte verwalten!«
Von neuer Hoffnung erfüllt, marschierten sie weiter, und als sie die Höhe des Vorgebirges erreicht hatten, sahen sie das Dorf zu ihren Füßen liegen. Die Hütten waren aus schwärzlichem Stein kunstlos errichtet und beherbergten ein Volk von wildem Aussehen. Schwarzes, borstiges Haar umstand die runden, lehmfarbenen Gesichter; derbe schwarze Borsten wuchsen wie Epauletten auf den dicken Schultern. Spitze Eckzähne entragten den Mündern von Männern und Frauen, und alle sprachen in rauhen, knurrenden Schreien. Cugel, Garstang und Subucule zogen sich vorsichtig zurück und berieten.
Garstang war entmutigt und sah keine Hoffnung mehr. »Ich bin erschöpft, geistig wie körperlich; vielleicht ist dies der Ort, der mir zum Sterben bestimmt ist.«
Cugel zeigte zu einem Steg, an dem mehrere Boote festgemacht waren. »Mein Ziel ist Almery, jenseits des Meeres. Ich werde ein Boot nehmen und nach Westen segeln.«
»Dann wünsche ich dir gute Reise«, sagte Subucule. »Garstang, kehrst du mit mir nach Norden zurück?«
Garstang schüttelte müde den Kopf. »Es ist zu weit. Ich würde in der Wüste umkommen. Ich werde mit Cugel über das Meer fahren und dem Volk von Almery Gilfigs Worte bringen.«
»Dann sage ich auch dir Lebewohl«, sagte Subucule. Er wandte sich rasch ab, um die Gefühle zu verbergen, die ihn bewegten, und machte sich auf den Weg.
Cugel und Garstang sahen ihm nach, bis seine Gestalt in der Ferne mit Ufer und Meer verschmolz, dann richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Boote. Garstang wurde von Zweifeln geplagt. »Die Boote sehen seetüchtig aus, aber ›nehmen‹ heißt in diesem Fall ›stehlen‹: eine Handlungsweise, die von Gilfig entschieden verurteilt wird.«
»Da sehe ich kein Problem«, sagte Cugel. »Ich werde auf dem Steg Goldmünzen zurücklassen, die dem Wert des Bootes entsprechen.«
»Und was ist mit Lebensmitteln und Wasser?«
»Wir werden die Küste entlangfahren, bis wir Vorräte an Bord nehmen können, und darauf werden wir auf Westkurs gehen.«
Garstang stimmte zu, und sie wählten ein solide aussehendes Boot von zehn oder zwölf Schritten Länge aus, das breit und hoch genug schien, um einen Sturm zu überstehen, und sogar eine kleine Kajüte hatte.
Als es dunkel wurde, stahlen sie sich hinunter zur Anlegebrücke. Alles war ruhig. Die Fischer waren ins Dorf zurückgekehrt. Garstang kletterte an Bord und meldete, daß alles in Ordnung sei. Cugel begann die Leinen loszuwerfen, als vom Ende der Anlegebrücke ein wilder Aufschrei kam. Aufblickend, sah er einen Haufen stämmiger Dorfbewohner heranstürmen.
»Wir sind verloren!« rief er. »Laufen Sie um Ihr Leben, Freund, oder schwimmen Sie!«
»Unmöglich«, erklärte Garstang. »Wenn dies der Tod ist, dann will ich ihm mit aller Würde entgegensehen, derer ich fähig bin!« Und er stieg auf die Anlegebrücke.
Gleich darauf waren sie von Einheimischen jeden Alters umringt. Einer, offenbar der Dorfälteste, fragte in strengem Ton: »Was macht ihr hier auf unserem Steg? Ein Boot stehlen?«
»Es ist ganz einfach«, sagte Cugel. »Wir wollen das Meer überqueren.«
»Was?« schrie der Älteste. »Wie ist das möglich? Das Boot hat weder Proviant noch Wasser und ist schlecht ausgerüstet. Warum kommt ihr nicht zu uns und sagt, was ihr braucht?«
Cugel zwinkerte verdutzt und wechselte einen Blick mit Garstang, dann faßte er sich ein Herz und sagte: »Offen gesagt, euer Aussehen erschreckte uns so, daß wir es nicht wagten.«
Diese Auskunft erheiterte und überraschte die Menge. Der Sprecher sagte: »Das verstehen wir nicht. Erkläre es uns genauer.«
»Gern«, sagte Cugel. »Darf ich ganz offen sein?«
»Aber ich bitte darum!«
»Bestimmte Aspekte eurer Erscheinung muten uns wild und barbarisch an: eure vorstehenden Eckzähne, die
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